Gemeinsam für Radeburg: Ein Stadtrat ohne Brandmauern

Am Donnerstag, dem 29. August, wurde der am 9. Juni gewählte Stadtrat vereidigt. Fast die Hälfte der Stadträte ist neu.

Erstmals ging die AfD auch in Kommunalwahlen als Wahlsieger hervor, wenn auch nur knapp vor der CDU. Sie hat nun genauso viele Sitze wie die CDU (jeweils 5) und konnte diese auch vollständig besetzen. Bei den letzten Wahlen vor vier Jahren erreichte die AfD 4 Sitze, konnte mangels Bewerber aber nur einen in Anspruch nehmen. Uwe Riemer hat nun mit Sylvia Herberger (Bärwalde), Frank Schellmann (Volkersdorf) und den Radeburgern Lothar Lucke und Frederick Zeidler Verstärkung bekommen. Die CDU ist mit den langjährigen Abgeordneten Michael Schöne, Uwe Berge, Heiko Gneuß (alle Radeburg) und Jens Meister (Bärwalde) die große Konstante im Parlament, denn bis auf René Eilke haben alle Mandatsträger aus der vorherigen Wahlperiode ihre Plätze wieder erhalten. Die Radeburgerin Sylvia Schäfer war 2022 für Bill Worlitzsch nachgerückt.

Zur Linken der Bürgermeisterin hat wieder Andreas Hübler Platz genommen. Er ist seit dem Gemeindezusammenschluss 1999 Stadtrat – zunächst für die CDU, später war er Mitbegründer der Unabhängigen Liste Radeburg, die vor allem die Interessen des Promnitztals vertritt. Nun ist diese Fraktion auf zwei Bärnsdorfer geschrumpft. Andreas Hübler hat nur noch André Schmiedgen an seiner Seite. Auch DIE LINKE hat nur noch einen Sitz, den „Uralt-Stadtrat“ Rüdiger Stannek einnimmt – in dem Gremium seit der Wende ununterbrochen vertreten. Die Bürgerinitiative, die besonders die Interessen von Großdittmannsdorf im Fokus hat, wurde in der letzten Wahlperiode durch Maik Hommel repräsentiert. Seinen Platz nimmt nun Ulf Walther ein. Aus dem Parlament raus ist die SPD. Jahrelang war Michael Ufert der Sprecher der Fraktion, zugleich 2. Stellvertretender Bürgermeister. Auf seine Initiative hin wurde die überparteiliche Vereinigung „WiR – Radeburg im Wandel“ gegründet und bekam „aus dem Stand“ alle vier Kandidaten in das neue Gremium. Mit Michael Ufert als Zugpferd, der nicht mehr für die Politik der SPD in Haftung genommen, sondern an seiner eigenen Arbeit gemessen werden wollte und im Gefolge drei jungen Bewerbern, ca. 20 aktiven Förderern der Gruppierung, sowie einer klaren, auf Radeburg fokussierten Programmatik hat man offenbar den Nerv vieler Radeburger getroffen. Hanna-Marie Ritter, Susann Wittke und Roberto Berndt sind die neuen, die ihre Worte nun in Taten umsetzen wollen.

Per Einigungsgespräch, was durchaus üblich ist, haben sich die Fraktionen im Vorfeld zur Wahl der Stellvertreter der Bürgermeisterin verständigt. Erstmals in der Radeburger Geschichte gab es dazu keine Vorab-Einigung und der Vertreter der AfD-Fraktion in der Gesprächsrunde hatte auf einer geheimen Wahl bestanden.

Lothar Lucke fehlte entschuldigt, so dass inklusive Bürgermeisterin 18 Ratsmitglieder abstimmten. Mit 11 Stimmen für Michael Schöne zu 6 Stimmen für Michael Ufert, eine Stimme war ungültig, wurde erster wiedergewählt, denn er hatte das Amt auch schon zuvor inne.

Bei der Wahl des 2. Stellvertreters wurde mit 13 Stimmen Michael Ufert wiedergewählt. Gegenkandidat Uwe Riemer erhielt vier Stimmen. Auch hier war eine Stimme ungültig.

Die Stadträte nutzen die Auszählpause, um sich gegenseitig bekannt zu machen und gegebenenfalls. ein kurzes Statement abzugeben. Ulf Walter und Roberto Berndt wünschen sich Unterstützung von den erfahrenen Stadträten und gaben der Hoffnung Ausdruck, dass sich alle Stadträte für das Wohl Radeburgs und seiner Bürger einsetzen.

Im „Gegenzug“ wünschte sich André Schmiedgen, dass die neuen Stadträte auch was neues einbringen und Andreas Hübler fasste es so zusammen, dass Alt und Neu gut zusammen arbeiten mögen.

Jens Meister mahnte an, dass die Ortsteile nicht vergessen werden sollten. „Wir machen hier auch keine große Politik, daran können wir sowieso nichts ändern, sondern machen das, was wir beeinflussen können, das Bestmögliche für die ganze Stadt.“

Frank Schellmann schloss sich der Sichtweise an und postulierte, „dass alles was wir machen im Sinne der Radeburger passiert“.

Erste „Bewährungsproben“ für diesen Gemeinsinn ohne „Brandmauertheater“ gab es auch bereits. So wurden Uwe Berge und Frank Schellmann jeweils einstimmig zu Vertretern der Stadt in den Wasserverband Brockwitz-Rödern bzw. den Abwasserzweckverband Promnitztal gewählt. Michaela Ritter wurde einstimmig als Vertreterin der Kommune in die Radeburger Wohnungsgesellschaft entsandt.

Die allgemeine Stimmung hob auch die gute Nachricht von Kämmerer Gerald Schneider, dass der Schulneubau im Kostenrahmen bleibt. Das könne man bei so einem großen Bauvorhaben als durchaus einmalig ansehen.

Kommentar: Das beste für die Stadt – aber was ist das beste?

Viel Einvernehmen herrschte im Radeburger Stadtrat. Es ist wie ein Privileg, dass hier weniger gestritten wird als in anderen Kommunen. Wir können stolz sein auf unseren Zusammenhalt, nicht zuletzt weil unterschiedliche Meinungen uns nicht spalten.

Unterschiedliche Meinungen traten in der Stadtratssitzung dann auch erst beim Thema Agrarflächen-Photovoltaik auf. Bürgermeisterin Michaela Ritter musste den befangenen Stadtrat Rüdiger Stannek – trotz dessen langjähriger Erfahrung - zweimal ermahnen, keine Statements während des Abstimmungsverfahrens abzugeben, was er anschließend aber doch tat. Man merkte die Anspannung.

Die Stadträte der AfD enthielten sich bei dieser richtungweisenden Abstimmung der Stimme – auf nachträgliche Frage mit der Begründung, dass man über das Thema nicht genügend informiert gewesen sei. Anfang August, genau zwei Monate nach der Wahl. hatte noch der alte Technische Ausschuss (TA) darüber beraten. Das ist formal rechtens, aber war das notwendig? Die neuen Stadträte konnten den TA-Beschluss nur noch zur Kenntnis nehmen, ohne ihn noch mal eingehend zu diskutieren, ohne auf die zahlreichen Einwände einzugehen, die vielleicht den einen oder anderen Stadtrat dazu gebracht hätten, seine Entscheidung zu überdenken. Die neuen Stadträte hätten sich mit der umfangreichen Materie befassen müssen: Abwägungsbeschluss 20 Seiten1, Umweltbericht 53 Seiten2, Begründung zum Bebauungsplan 36 Seiten3. Dazu unzählige Quellenangaben, Verweise und Dokumentationen zum Thema4. Die einen fühlen sich nun überrumpelt, und die anderen: die Verwaltung hat unnötigen Stress vermieden, manche stimmten ab nach dem Motto: es wird schon seine Richtigkeit haben und die Profiteure werden sagen: clever gemacht.

Jens Meister und Frank Schellmann hatten auf „das Beste für die Stadt“ abgestellt. Michaela Ritter sagte zur Eröffnung der Sitzung: „Im Stadtrat geht es um das Wohl der Allgemeinheit, nicht aber um den Vorteil einzelner.“ Wäre es unter genau diesem Gesichtspunkt nicht im Sinne der Allgemeinheit gewesen, für so ein unsere Umgebung prägendes, umweltveränderndes Vorhaben noch den neuen TA abzuwarten und die Abwägung ihm zu überlassen, zumal ja er mit den Konsequenzen konfrontiert sein wird? Bei der jetzt getroffenen Entscheidung haben einzelne definitiv einen Vorteil. Ob ihn auch die beschworene Radeburger Gemeinschaft hat oder diese sogar benachteiligt wird, diese Wahrheit versteckt sich in den Tiefen der umfangreichen Unterlagen und den darin enthaltenen Widersprüchen und Ungereimtheiten. Ein weiteres Agri-PV-Projekt ist bereits in den Startlöchern. In einer Nachbargemeinde werden Windräder in der Rödernschen Heide immer wahrscheinlicher –klimaschützender Wald wird klimaschädlichen Windrädern5 geopfert – auch Zugvögelrastplätze sind kein Hindernis mehr und in einer anderen wird man voraussichtlich den Kiesabbau nicht verhindern können, trotz Trinkwasserschutzzone und beeinträchtigter Naturschutzgebiete. Von beeinträchtigten Menschen redet schon lange keiner mehr. Unsere Umgebung wird sich in den nächsten 10 Jahren ändern – und zwar drastisch. Werden die Stadt- und Gemeinderäte dann rückblickend sagen: das war zum Wohl der Allgemeinheit oder werden sie sagen müssen: da haben wir fahrlässig gehandelt?

Quellen:

  1. Abwägungsbeschluss des TA
  2. Umweltbericht zur Agri-TV-Anlage
  3. Begründung zum Bebauungsplan
  4. Verheerende Wirkung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen
  5. Alarmierende Studien zur Klimaerwärmung durch Windräder