Radeburg: Verwirrung: bisher kein Baurecht für Photovoltaik auf den Ackerflächen!

In der Stadtratssitzung vom 25. April hat der Stadtrat einstimmig den Entwurf des vorhabenbezogenen Bebauungsplans „Sondergebiet Agri-Photovoltaikanlage“ südlich des Stausees beschlossen. In der Stadtratssitzung am 23. Mai hat der Stadtrat einstimmig einen Aufstellungsbeschluss zu einer weiteren Anlage entlang der Autobahn zwischen Stausee und Waldrose beschlossen. Baurecht besteht dadurch aber noch nicht.

Landwirtschaft unter Solarmodulen (Foto: symbolisch, KI-generiert, Freepic)

Landwirtschaft unter Solarmodulen - eine zukunftsfähige Lösung? (Foto: symbolisch, KI-generiert, Freepic)

Gestern hat der Stadtrat von Radeburg den Aufstellungsbeschluss zu einer weiteren Photovoltaik-Anlage (Agri-PV Radeburg II) beschlossen. Die Anlage soll nordöstlich von Radeburg, entlang der BAB 13, entstehen. Dies ist bereits, wie die Nummerierung auch ausdrückt, das zweite Vorhaben vor den Toren der Stadt, nachdem bereits im April der vorhabenbezogene Bebauungsplan für eine Anlage östlich von Radeburg (im Folgenden Agri-PV Radeburg I), südlich des Stausees gebilligt wurde.

Die beiden Maßnahmen so dicht hintereinander sorgen für einige Verwirrung in der Öffentlichkeit.  Um es kurz zu sagen: für beide Vorhaben besteht noch kein Baurecht. Der Unterschied zwischen beiden Vorhaben ist, dass für die Agri-PV Radeburg II der so genannte Aufstellungsbeschluss gefasst wurde, der in der nächsten Ausgabe des Amtsblattes öffentlich bekannt gemacht wird. Der Aufstellungsbeschluss beinhaltet ein Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplanes von Radeburg zugunsten der Errichtung von Photovoltaik im Außenbereich und den Entwurf für einen Bebauungsplan (B-Plan). Die nunmehr zu erarbeitenden Pläne werden dann erneut den politischen Gremien (Technischer Ausschuss, Stadtrat) vorgelegt. Der Stadtrat fasst dann den so genannten Auslegungsbeschluss. Wie der Name schon sagt, wird der Entwurf des B-Plans eine Zeit lang (i.d.R. einen Monat) öffentlich ausgelegt, um Hinweise und Einwendungen vorzubringen, die dann abgewogen und gegebenenfalls eingearbeitet werden und in dessen Ergebnis der B-Plan durch einen Satzungsbeschluss rechtskräftig wird. Erst dann besteht Baurecht.

Die Agri-PV Radeburg I ist schon beim besagten Auslegungsbeschluss. Der Aufstellungsbeschluss für den B-Plan wurde hier bereits im Januar 2023 gefasst – verbunden mit einer so genannten vorzeitigen öffentlichen Beteiligung, in deren Rahmen von 53 Mitzeichnern angeregt wurde, das Vorhaben abzulehnen, falls mehrere Fragestellungen nicht beantwortet werden können. Es wurde zugesagt, die Fragen im Umweltbericht zu beantworten. Im Ergebnis der öffentlichen Beteiligung wurde das Vorhaben von 2 Teilflächen auf eine Fläche reduziert. In der Sitzung am 25. April 2024 hat der Stadtrat den Entwurf des B-Plans für diese eine Teilfläche gebilligt. Diese Billigung ist noch keine Zustimmung zum endgültigen B-Plan, sondern Voraussetzung für die Auslegung – wie oben beschrieben.

Der genannte Umweltbericht ist eine Anlage des B-Plans. Es war nun also möglich, den Umweltbericht daraufhin zu prüfen, inwieweit er die gestellten Fragen tatsächlich beantwortet. Der Umweltbericht ist hier vollständig nachzulesen (PDF). Die Auslegung erfolgt im Zeitraum vom 03.06.2024 bis einschließlich 05.07.2024. Die Unterlagen werden in dieser Zeit auf der Homepage der Stadt Radeburg (unter Aktuelle Offenlagen) und als Offenlageexemplar im Bauamt einsehbar sein. Jeder Bürger hat das Recht,hier erneut seine Bedenken, Hinweise und Anregungen zur Niederschrift zu geben oder schriftlich / per Mail einzureichen. Im Zuge der Offenlage wird auch nochmals die nachfolgende Anregung zur Ablehnung des B-Plans eingereicht, sofern die Fragen nicht hinreichend beantwortet werden.

Agri-PV: das Beste daraus gemacht – aber ist das auch was Gutes?

Ein Kommentar

Zunächst das in jedem Fall Gute: Der Technisches Ausschuss und der Stadtrat haben durch die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden vermieden, dass größerer Schaden entsteht – vom Vertrauensverhältnis zu den Bürgern bis hin zu Umweltschäden. Der Verzicht auf die in noch höherem Maße umweltrelevante Fläche an der Würschnitzer Straße (unmittelbar gegenüber dem Eingang zum Campingplatz) war eine gute Entscheidung. Positiv ist weiterhin, das Agri-PV zweifellos die bisher beste technische Lösung auf Ackerflächen ist – wegen der weiteren Nutzbarkeit für die Landwirtschaft und der geringen Flächenversiegelung. Aber ist das Beste gut genug? Positiv ist auch zu bewerten, dass die von mir als Verfasser und 52 Mitzeichnern eingereichten Anregungen im Umweltbericht Eingang gefunden haben und beantwortet wurden.

Anders sieht es nach meiner Einschätzung aus, was die Qualität der Antworten betrifft. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die mit wissenschaftlichen Quellen belegten Fragestellungen nicht auf der Grundlage von sachlichen Belegen beantwortet wurden, sondern nur mit Vermutungen und Behauptungen. Das ist zunächst nicht weiter schlimm, denn vom 03.06. bis einschließlich 05.07. erfolgt jetzt die so genannte „Offenlage“ der Pläne und nicht zuletzt jeder Bürger kann noch einmal seine Einwände vortragen. Das ist auch umso wichtiger, als bereits das nächste Vorhaben zwischen „Waldrose“ und Stausee in den Startlöchern ist. Am Donnerstag, dem 23. Mai (also nach Redaktionsschluss) wurde wahrscheinlich der nächste Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan einer weiteren, noch größeren Anlage geplant. Im Interesse unserer Natur, der Umwelt, des Klimas und der hier lebenden Menschen ist es deshalb wichtig, von Anfang an auf einer fachlichen Untersetzung zu bestehen und nicht nur etwas „hinzubiegen“. Wenn die Behauptungen durch Fakten untersetzt werden, kann ja auch alles gut und richtig sein und die bei diesem Thema kritischen Bürger können es mittragen.

Hier nun die Bezugnahmen des Planungsbüros zu unseren Anregungen im Einzelnen.

Wir hatten in unserer Anregung darauf hingewiesen, dass PV-Module sowohl nach oben als auch nach unten Wärmestrahlung abgeben und dies ist besonders während des Tages von Bedeutung ist, wenn PV-Module oft 20 °C wärmer sind als die Umgebungstemperatur. Auf Seite 26 wird dies auch in Bezug auf Agri-PV-Anlagen bestätigt: „Durch den Betrieb der Solaranlagen wird Wärme erzeugt. Im Normalbetrieb erreichen die Solarmodule eine Erwärmung bis auf ca. 50°C. Bei starker Sonneneinstrahlung können sich die Module zeitweise auch auf über 60°C erhitzen. Da der Wirkungsgrad der Solarzellen mitzunehmender Temperatur sinkt, sind die Hersteller bestrebt, die Erwärmung so gering wie möglich zu halten. Dazu dienen entsprechende Konstruktionen, welche eine gute Hinterlüftung der Anlage gewährleisten.“
Photovoltaik hat mit einem Wirkungsgrad von maximal 25% ohnehin den geringsten von allen Energiewandlern. Selbst mit der geplanten Nachführtechnik wird es nicht mehr. In was wird die restliche Sonnenenergie umgewandelt? Überwiegend, annähernd 75%, sind Wärme, die dank „guter Hinterlüftung“ umso mehr in die Umgebung abgegeben wird. 

Frage: Was berechtigt zu der Behauptung, PV-Anlagen würden der Klimaerwärmung entgegenwirken? Ich bitte um die Angabe einer fachlich fundierten Quelle für diese Aussage.

Was dadurch entsteht ist der so genannte „Wärmeinseleffekt“. Auf Seite 43 wird die „Verminderung der Kaltluftentstehung, u.U. Störung des Frischluftabflusses durch die Solarmodule, Entstehung lokaler Wärmeinseleffekte durch Versiegelung, ggf. Veränderung der kleinklimatischen Situation durch die Solarmodule“ eingeräumt. Auf Seite 44 wird auch explizit genannt, dass das „Schutzgut Klima“ beeinträchtigt wird durch „ggf. Entstehung lokaler Wärmeinseleffekte durch Erwärmung der Solarmodule“.

Dies wird also eingeräumt und etwas verschleiert durch die abgekürzten  Begriffe „u.U.“ und 2 x „ggf.“ Unter welchen Umständen denn? Natürlich unter denen, die dann vorliegen werden (oder auch nicht) wenn alles fertig gebaut und „alles zu spät“ ist. „Gegebenenfalls“ – welcher Fall ist denn gegeben? Natürlich der, dass dieser Schaden eintreten kann (oder auch nicht). Ist das wissenschaftlich? Ich habe da Zweifel.

Fragen: Welche konkrete lokale Erwärmung (in Grad Celsius) ist mit Blick auf das globale Minus-1,5°-Ziel hinnehmbar – unter Berücksichtigung der bereits global installierten und noch geplanten „PV-Wärmeinseln“? 
Welche Auflagen (Rückbau?) wird es geben, wenn die klimaschädlichen Effekte dann „u.U.“ oder „ggf.“ größer sind als erwartet?

Es kommt noch besser: Ebenfalls auf Seite 44: „Die genannten Wirkfaktoren können auch über den Vorhabenort hinauswirken (Wirkraum), müssen dabei jedoch nicht zwingend Eingriffe zur Folge haben.“ Wieso nicht? Weil der Gesetzgeber das nicht verlangt? „Sie verursachen als Konflikte den Funktionsverlust von Schutzgütern, Funktionseinschränkungen bei Schutzgütern sowie den Verlust bzw. die Beeinträchtigung von Lebensräumen.“ – Schutzgüter, als Laie ahnt man es nicht, sind nicht bloß schützenswerte Güter, sondern auch z.B. auch Mensch, Natur, Klima, Wasser, Luft …  
Daraus ergeben sich konkrete Fragen: 

  • Wie groß wird der Wärmeinseleffekt „über den Wirkraum hinaus“ konkret sein (in Grad Celsius) - in angrenzenden Schutzgebieten, in Teilen des Stadtgebietes oder bis zum Ortsteil Boden? 
  • Wurde das untersucht? 
  • Unterliegen die Schutzgüter bei einer Abwägung gegenüber dem Klimaziel?

Im Umweltbericht auf S. 26 heißt es dazu: „Da die Flächen zukünftig zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien (Solarenergie) genutzt werden, wird im Gegenteil dem Klimawandel sogar entgegengewirkt.“

Frage:
Wie kommt man darauf, mit heißen Modulen, die einen Wärmeinseleffekt erzeugen, der sogar über den Wirkraum hinausgeht – und dies bei weltweit JEDER Photovoltaik-Anlage, die Erderwärmung zu stoppen? Können Sie eine fachlich fundierte Quelle dafür benennen? 

Auf S. 26 heißt es weiter: „Die Errichtung der Agri-PV-Anlage Radeburg dient der klimaneutralen Produktion von Strom. Es sollen mit der Agri-PV-Anlage Module installiert werden, die eine Leistung von ca. 7.000 kWp Strom pro Jahr klimaneutral produzieren.“ Hier regen gleich zwei Aussagen an, etwas einzuwenden. Zum einen bedeutet das kleine „p“ hinter kW, dass damit der „Peak“ gemeint ist – die „Spitzenleistung“. 

Frage: Ist "kWp Leistung pro Jahr so zu verstehen, dass an 365 Tagen durchgehend die Sonne scheinen müsste, um diesen Wert zu erreichen? Bitte die Berechnung vorlegen!

Die Formulierung „klimaneutrale Produktion“ stimmt schon wegen des Wärmeinseleffekts nicht und lässt außerdem die Ökobilanzen bei der Herstellung völlig außer Acht. Zu letzterem die

Frage: Wie klimaschädlich oder -neutral ist die Produktion und die spätere Entsorgung der PV-Module, der Unterkonstruktion und der Inverter (Wechselrichter)? Transport, Bau der elektrischen Leitungen u.a. sind ganz sicher ebenfalls nicht klimaneutral, auch wenn der Anteil an der Gesamtbilanz sicher geringer ist.

Weiter heißt es: „Durch den Einsatz (gemeint ist sicher: Ersatz) fossiler Energieträger … werden jährlich ca. 5.600 t CO² sowie andere Luftschadstoffe eingespart.“

Frage: Welcher Energieträger ist die Bezugsgröße? Sind veraltete Kohlekraftwerke die Berechnungsgrundlage für die CO²-Einsparung?

Übrigens: für Luftschadstoffe sind europaweit Grenzwerte festgelegt. CO² gehört nicht zu den Luftschadstoffen, auch wenn das Narrativ öffentlich gepflegt wird. Quelle einsehbar hier.

In Bezug auf Regenwasser wird hier auch nur darüber gesprochen, dass dank der Agri-PV-Technologie die Austrocknung des Bodens „vernachlässigbar“ sein wird (S.40), aber kein Wort wird darüber verloren, dass Regenwasser, dass auf die 50, 60 Grad heißen Paneele trifft, erwärmt wird, ehe es versickert.

Frage: Welche Effekte hat das erwärmte Wasser, zum Beispiel auf Mikroorganismen, gerade in der Trinkwasserschutzzone?

Ich würde gern die Anregung ergänzen. Wenn so genannte „Erneuerbare“, dann bitte solche mit einem hohen Wirkungsgrad und nicht solche, die gerade dann ihren (geringen) Wirkungsgrad ausschöpfen, wenn es aufgrund von viel Sonne und Wärme am wenigsten gebraucht wird. Wasserkraft hat einen Wirkungsgrad von 80 bis 90%  und steht bei nahezu jedem Wetter zur Verfügung. Warum wird die Wasserkraft an der Stauanlage Radeburg (die noch dazu nahe am Umspannwerk liegt) nicht sofort genutzt? Es gibt inzwischen Lösungen, dass Fische durch Turbinen nicht zu Schaden kommen. Wenn diese nicht gut genug sind, wäre das auch für das Fraunhofer-Institut eine lohnende Forschungsaufgabe. 

Wir hatten in der Anregung darauf hingewiesen, dass Solarmodule dunkler sind, als es der ursprüngliche Untergrund ist und es dadurch bis zu 20% weniger Reflexion kommt. Der Umweltbericht bestätigt auf Seite 15, „dass Reflexionen schon deswegen nicht erwünscht sind, weil sie den Eintritt des Sonnenlichts in die Solarzelle und damit den Energieertrag mindern. Die Hersteller der Solarmodule sind daher bestrebt, die Reflexionen durch besondere Beschichtungen so gering wie möglich zu halten.“ 
Die gut gemeinte Absicht, den Wirkungsgrad zu erhöhen hat den Nebeneffekt, dass Blendwirkungen für Mensch und Tier (insbesondere Vögel) vermieden werden. Gut so. Wie dies (insbesondere in der Menge von PV-Anlagen insgesamt) aber auf die Energiebilanz der Absorption, Speicherung und Abgabe von kurz- und langwelliger Strahlung wirkt (Treibhauseffekt) – dazu legt der Bericht weder Daten noch Quellenangaben vor. Vermutlich gibt es keine.
In der Anregung wurde belegt, dass PV-Installationen einen Teil des Bodens beschatten und die Wärmeabsorption in den Oberflächenböden reduzieren. 
Der Effekt, dass die Luft über den Modulen erwärmt wird, am Boden aber kalt bleibt und der Kaltluftabfluss dadurch gestört wird, wird auf S. 25 zwar bestätigt, es wird aber darauf hingewiesen, dass die Barrierewirkung durch den vorgesehenen Abstand der Module von 0,5 m zum Boden minimiert werden kann.

Frage: Was konkret bedeutet „Barrierewirkung minimiert“? Kaltluftströme sind mit Blick auf die Bedrohung von Fauna und Flora durch den Klimawandel essenziell. Gibt es entsprechende Messungen bei vergleichbaren Anlagen? Ggf. bitte vorlegen!

Vielen Dank im Voraus für die gewissenhafte Beantwortung der Fragen!
Klaus Kroemke im Namen der Mitzeichner.

Die aktuell geplante Agri-PV-Anlage ist dank Stadtratskompromiss "nur" noch knapp 11 ha. Das sind ca. 8 Fußballfelder. In der Stadtratssitzung am Donnerstag, dem 23. Mai, wurde eine Fläche von weiteren 13 ha, weiteren neun Fußballfeldern, geplant. Und das ist voraussichtlich noch nicht alles. Wenn wir keine Fragen stellen, müssen wir in Zukunft damit leben. Dessen sollte sich jeder bewusst sein.

... und so geht es weiter.

„Agri-PV/ FFA Radeburg II“

In der Stadtratssitzung am 23. Mai 2024 fasste der Stadtrat den Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan „Agri-PV/ FFA Radeburg II“ für die Errichtung von Photovoltaikanlagen sowie Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt Radeburg nordöstlich von Radeburg entlang der BAB 13. Damit hat der aktuelle Planungsstand das oben angegebene Bild. Die abgelehnte Fläche aus dem vorhergehenden Antrag ist entsprechend gekennzeichnet. "Dieser B-Plan hat bereits das Vorverfahren gemäß §3 Abs. 1 und §4 Abs.1 BauGB durchlaufen und befindet sich aktuell in der förmlichen Beteiligung," heißt es in der Sachverhaltsdarstellung zum Beschluss. Aktuell ist unklar, wie der Stadtrat zu dieser Aussage kommt. Die Redaktion bleibt dran.