"Erneuerbare" Energien: Kirchgemeinde Ebersbach zur Windkraft: „Prüft alles und behaltet das Gute!“

Die Kirchgemeinde Ebersbach lud am Mittwoch, 19.02. zu einer Informationsveranstaltung zum Thema „Windkraft“ in die Kirche Niederebersbach ein. Dabei kamen verschiedene Sichtweisen, aber auch neue Aspekte, Erkenntnisse und Unterstützungsangebote zur Sprache

Kirche Niederebersbach

Die Kirchgemeinde Ebersbach bot die Räumlichkeiten der Kirche Niederebersbach an, um sich weiter zum Thema Windkraft in der Gemeinde auszutauschen.

„Miteinander wollen wir über verschiedene Aspekte der Windkraft ins Gespräch kommen,“ kündigte Pfarrer Eric Maurer an. In der „nur zum Krippenspiel noch volleren Kirche“ begrüßte er die Besucher mit einer Erinnerung an die Jahreslosung der Kirchgemeinde, die da lautet „Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1. Thessalonicher 5,21). In diesem Sinne sollten einleitende Vorträge vor- und Nachteile abwägen und einer anschließenden Diskussion vorausgehen.

Stefan Schröter setzte Einigkeit bei der Feststellung voraus, dass der Energiebedarf steigt und in Zukunft noch mehr steigen wird und warf die berechtigte Frage in den Raum, wie es um die Alternativen bestellt ist. Vor allem setzte er sich mit der überall sonst in Europa favorisierten und auf dem Vormarsch befindlichen Kernenergie auseinander und stellte deren wesentliche Nachteile dar, die nach Fukushima zur „Energiewende“ in Deutschland führten. Nicht zuletzt würden auch Subventionen bei Kernenergie und bei Kohlekraftwerken die Kostenstruktur verzerren.

Außerdem ging er auf das Merit-Order-System ein, das die Preise für den Strommarkt an der Strombörse bestimmt. „Für niedrige Strompreise sorgen die Erneuerbaren, für hohe Strompreise sorgen die fossilen Energien, vor allem Kohle und Gas.“ Also muss es das Ziel sein, die Erneuerbaren auszubauen, stellte er fest.

Oliver Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Agrargenossenschaft Ebersbach schilderte seine Sicht als Landbewirtschafter vor Ort zu den ihm bekanntgewordenen „Fallstricken und langfristigen Schwierigkeiten in Bezug auf soziale und Umweltaspekte, Vertragsklauseln, Erbschaft- und steuerliche Wirkung“.

An potentielle Verpächter gerichtet sagte er, niemand möge „blauäugig“ in Vertragsverhandlungen gehen. Der Verpächter müsse beachten, dass durch bestehende, in der Regel langfristige Pachtverträge der Bewirtschafter „immer mit im Boot“ ist. Der Bewirtschafter hat damit die Möglichkeit, Windkraftvorhaben zu hemmen.

Weiter führte er aus, dass Windkraft-Errichter, -planer oder -Betreiber anstreben, Vorverträge abzuschließen mit dem Versprechen, die Eigentümer an den Einnahmen zu beteiligen. Gegen eine geringe Entschädigung wird die Fläche für die mögliche künftige Nutzung freigehalten. Das klingt zunächst positiv. Zu diesem Zweck wird allerdings eine Grunddienstbarkeit ins Grundbuch eingetragen. Die Fläche ist damit für andere Nutzungen blockiert und zwar auch, wenn niemals gebaut wird. Die Grunddienstbarkeit kann weiterverkauft werden, ohne dass der Eigentümer ein Mitspracherecht hat, denn sie kann nur in gegenseitigem Einvernehmen gelöscht werden.

Im Falle, dass die Anlage tatsächlich errichtet wird, ist auch nicht alles gut. Oliver Schmidt malt Szenarien aus, vor denen der Eigentümer nicht geschützt ist. Zwangsversteigerung der Anlage bei Pleite des Betreibers zum Beispiel. Wenn niemand die Anlage inklusive der Schulden bei der Bank kaufen will, wird sie zum Eigentum des Verpächters. Eigentum verpflichtet – auch zur Ableistung des Schuldendienstes. Kann man die Anlage nicht weiter wirtschaftlich betreiben, muss man sie innerhalb eines halben Jahres auf eigene Kosten zurückbauen. Die hinterlegten und gesetzlich vorgeschriebenen Bürgschaften reichen oft nicht dafür aus. Auch im Falle, dass der Betreiber nicht pleitegeht, die Anlage aber aufgibt, hat der Verpächter oft unterschrieben, dass der Rückbau bis 1m unter der Oberfläche erfolgt, was bedeutet, dass das riesige Fundament im Boden bleibt – was die Fläche für eine erneute landwirtschaftliche Nutzung unattraktiv macht.

Sollten Windkraftanlagen errichtet werden, so fließt in die Taschen der durch die Pachtverträge begünstigten viel Geld. Aber mit Blick auf künftige Erbfälle sieht die Sache schon ganz anders aus.

Oliver Schmidt. „Ein Beispiel in Zahlen soll die Wirkung für sie verdeutlichen. Flächenwert von 10 ha als Erbmasse liegt so bei 100.000-150.000 € in unseren Gefilden. Das gibt der Freibetrag her. Der Erbe wird finanziell nicht überfordert.

Anders nun bei derselben Fläche mit einer WKA. Es schnellt die Erbsumme auf 800.000€ - 1 Mio € hoch. Hierfür reicht der Freibetrag nicht aus! Das muss dann in Form der Erbschaftssteuer gegenüber dem Finanzamt beglichen werden. Der Erbe ist überfordert. Auch das ist sozialer Sprengstoff für Familien! Überlegen sie also gut ob und wie sie das Thema Windkraft für sich betrachten. Gehen Sie auf keinen Fall blauäugig in das Wagnis Windkraft.“

In seinem Vortrag ging Oliver Schmidt auch auf die sozialen Folgen für die Dorfgemeinschaften ein. Einerseits sind bei einer Verpachtung bei den „Handtuchflurstücken“, wie sie in der Gegend typisch sind, noch die jeweiligen Nachbarn mit beteiligt – an der Vertragsgestaltung und gegebenenfalls am Ertrag. Der Rest der Gemeinschaft ist höchstens ganz indirekt über Steuereinnahmen der Gemeinde beteiligt, muss aber ansonsten die “Windkraftromantik jeden Tag ertragen“.

Der Genossenschaftsvorsitzende wörtlich: „Wir sind heute hier in der Kirche, weil Gleichbehandlung und sozialer Frieden gewahrt werden sollte und es ein hohes Gut darstellt. Auch die Agrargenossenschaft Ebersbach steht für diese Werte ein. Die Mitglieder der Genossenschaft haben beschlossen, das genau aus diesen benannten Gründen eine Errichtung von WKA auf den Flächen der Genossenschaft abgelehnt wird.“

Oliver Schmidt machte abschließend noch einmal die Macht der Grundeigentümer deutlich, die „nicht gezwungen werden können, ihre Fläche herzugeben. Der Ausbau der Windenergie oder auch der Pachtverträge auf unseren Flächen sind immer Privatunternehmungen. Diese können uns nicht enteignen. Das kann nur der Staat, wenn er der Errichter von Windkraftanlagen wäre. Somit ist dieses Angstmach-Argument nicht wirksam. Ich kann sie ja auch nicht enteignen, wenn sie einen Pachtvertrag mit mir nicht unterschreiben, auch wenn ich für die Ernährungssicherheit dieses Landes stehe!“

An das Publikum gerichtet schloss er mit den Worten: „Gern können sie später, wenn sie möchten, mit mir ins Gespräch kommen. Mein Büro steht jedem offen.“

Den vollen Wortlaut dieses Beitrages finden Sie hier.

Auch Frank Blum, als Anwohner der geplanten Anlage gleich doppelt betroffen, wurde noch einmal um sein Statement gebeten. Er betonte, dass er kein Fachmann für Windenergieanlagen sei, dass er sich aber gewissenhaft in die Thematik eingearbeitet habe. Mit seinem Vortrag auf der Einwohnerversammlung in Reinersdorf am 4. November 2024 (RAZ berichtete) verschaffte er der (nicht einzigen aber) verbreiteten Meinung in der Gemeinde Ebersbach und besonders in den betroffenen Dörfern Gehör und bekräftigte nun noch einmal seinen Standpunkt.

Den letzten Vortrag hielt ein Mitarbeiter der Sächsischen Energieagentur (SAENA). Er stellte die SAENA GmbH vor „als Beratungs-, Informations-, und Kompetenzzentrum zu den Themen erneuerbare Energien, zukunftsfähige Energieversorgung, Energieeffizienz und effiziente Mobilität. Gesellschafter sind der Freistaat Sachsen und die Sächsische Aufbaubank - Förderbank (SAB). Sie dient als sachsenweite Anlaufstelle für alle handelnden Personen und Institutionen im Bereich Energie und Klimaschutz, Man unterstütze im Übrigen auch Bürgerinitiativen, insbesondere wenn Behörden ihrer Informationspflicht nicht nachkämen oder zögerlich handelten. „Dann ist ein Anruf direkt von uns schon mal hilfreich,“ versicherte er.

Sein Fokus lag auf den wirtschaftlichen Chancen, die die Windenergie für die Kommunen bietet. Er bestätigte Oliver Schmidts Bedenken und mahnte, dass man „alle Fragen im Vorfeld sauber klären und dazu eng mit Rechtsanwälten und Steuerberatern zusammenarbeiten“ müsse. Die Investoren würden sogar die Kosten für solche Beratungen übernehmen.

Für den sozialen Frieden würde das Erneuerbare-Energien-Ertragsbeteiligungsgesetz sorgen, das in Sachsen sicherstellt, dass die Kommunen an den Erträgen der Windenergie beteiligt werden. Um diese konkret werden zu lassen „bietet die SAENA ein Workshop-Konzept an, das Bürger sowie Kommunalvertreter an einen Tisch bringt, um die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten zur finanziellen Beteiligung kennenzulernen und in die Verträge einfließen zu lassen.

„Prüft alles, behaltet das Gute!“ ist die Jahreslosung der Kirchgemeinde und erscheint auch gerade bei dieser Thematik passend gewählt. Was jedoch das Gute ist, da gehen sicher die Meinungen weit auseinander. In der anschließenden Diskussion wurde das auch deutlich. Der Dank geht an Pfarrer Eric Maurer, dass er den Bürgern die Möglichkeit des Gedanken- AUSTAUSCHS eingeräumt hat, auch wenn weniger ausgetauscht als bei der vorhandenen Meinung geblieben wurde. Leider ist es nicht immer gelungen, andere Meinungen ruhig und sachlich auszuhalten. Hier fehlt es vielleicht auch an Vorbildern, wenn man zum Beispiel in den Bundestag schaut. Die Zuversicht besteht jedenfalls darin, dass der eine oder andere Aspekt vielleicht doch hängen geblieben ist. Die SAENA hat ein Angebot gemacht, Oliver Schmidt hat ein Angebot gemacht. Die Gesprächsbereitschaft ist also weiter vorhanden.