60 Jahre RABU: Es geht seinen närrischen Gang

„Was denkt eine Prinzessin, wenn sie am Morgen nach der 60. Saison aufwacht?“ ruft der Präsident zur Entkrönung den letzten Unentwegten auf dem Saal des Hirsch zu. Und Prinzessin Marika I. Beginnt zu tanzen: „Ja ich weiß, es war ne geile Zeit, doch es tut mir Leid es ist vorbei. Du fehlst mir...“ - und was ihr danach fehlt, ist die Krone, die ihr Conny Börner, Kurts Enkelin, fachfraulich vom Kopf nimmt.

Mit Tränen kämpfend reimt die Prinzessin: „Hier in RABu Euer Prinzenpaar zu sein – eine Steigerung fällt uns da nicht mehr ein.“ Und Prinz Ronny I. Konstatiert mit Blick auf den heraufziehenden Aschermittwoch: „Doch aus ist aus und rum ist rum - wir bedanken uns auch beim Publikum!“ Aschermittwoch ist die geile Zeit vorbei, so wie es seit Jahrhunderten Brauch ist und auch in RABU, seit es RABU gibt.

Stimmung an der Umzugsstrecke

Stimmung an der Umzugsstrecke

Zwischen dem 11.11., 11:11 Uhr und besagtem Aschermittwoch lagen 109 Tage mit 14 Veranstaltungen, und wenn man die am Umzugstag einzeln zählt – von Weckumzug über Narrengericht, Gardetanzschau, Tollitätentreffen und Aprés-Party, sogar 19. Für das Prinzenpaar, den Präsidenten und weitere Vereinsmitglieder gab es noch ein paar mehr – vom Umzug in Plessa über die Kinderenrichtungen und das Pflegeheim bis Wittichenau, dazu noch Prinzenfrühstück und Rathausempfang. Der Präsident muss das zwar nicht alles selber organisieren, aber er muss es auf die Reihe kriegen, damit es eben seinen Gang geht.

Hinter ihm stehen die Programmgruppen, die für die Show sorgen – und auch wieder so ziemlich auf der letzten Rille, praktisch wie jedes Jahr, ein Programm fertig bekamen, mit dem sie das närrische Volk begeisterten. Aber da sind noch viele hinter den Kulissen, ohne die kein Licht angehen würde, weder im „Hirsch“ noch im „Zelt“.

Als neue Personalie tauchte der Teufel in Gestalt von „Erna“ auf, als Prinzessin Sylivia I. war sie schon in der 55. Saison auf der Bühne. „Da brauchte ich nicht viel Überredungskunst...“, sagte Präsident Olaf und Erna war „Feuer und Flamme“ Ihre Dynamik war kaum im Bild zu fassen, deshalb empfehlen wir das Opens external link in new windowVideo.

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Heile Narrenwelt im Zelt

Heile Narrenwelt im Zelt

Erstmals gab es im Zelt eine „Gegentribüne“. Der Weinstand von Winzer Loose wurde exponiert und so wurde aus der „Schmuddelecke“ am anderen Zeltende eine exponierte Loge, ein besserer Platz mit im wahrsten Sinne „gehobenem Ambiente“. Das wollte ich schon länger,“ erklärt Olaf Häßlich, „im letzten Jahr hat es noch nicht geklappt, aber jetzt es da und es funktioniert.“

Was ein Nachteil ist von dieser Position aus: Lange Wortbeiträge auf der Bühne versinken hier völlig im Grundrauschen. Das war auch einer der wenigen Kritikpunkte, das zu lange am Stück gesprochen wurde, was im doppelten Wortsinn nur bei einem knappen Drittel der Gäste ankam.

Ähnlich problematisch ist es beim Narrengericht. Die närrische Gerichtsbarkeit um den Oberrichter Horst Richert haben wirklich grandiose Einfälle, kommen auf die tollsten Anekdoten aus dem Leben der Radeburger Narren, aber jahrelang war das Problem, dass man die Dialoge nur verstand, wenn man ganz vorn dabei war. Nun ist es den Akustikern endlich gelungen, den Ton so zu regeln, dass man auch noch im hinteren Zelt etwas verstand. Dafür gab es viel Lob. Eine gute Neuerung war die „Anklagebank“ - eine etwas freundlichere „Alternative“ zum Käfig, um von der Narrenpolizei eingefangene Delinquenten in einer „Wartezone“ zu sichern. In der Vergangenheit gab es öfter das Problem, dass sich die Zugeführten im Zelt „verkrümelten“ und nicht hörten, wenn sie aufgerufen wurden.

Hängen bleiben dürfte die Verurteilung von Bürgermeisterin Michaela Ritters wegen Mitfahrens auf der Feuerwehr ohne Dienstkleidung. Sie musste auf der Bühne in die Uniform ihres Mannes schlüpfen – und hängen bleibt natürlich so mancher Euro, der als Strafe an die Gerichtskasse zu zahlen ist – in einer durch den Sünder selbst festzulegenden Höhe. Und die Sünder erwiesen sich wieder als großzügig. „Dafür wollen wir auf diesem Wege mal wirklich herzlich Danke sagen,“ lässt Gerichtskassenverwalterin Karina Jentzsch ausdrücklich ausrichten.

Jubiläumsumzug mit Feuer und Panne

Jubiläumsumzug mit Feuer und Panne

Eine weitere „Neuigkeit“ gab es dann beim Umzug. Zwar war es schon öfter vorgekommen in den 60 Jahren, dass närrische Vehikel ihren Dienst versagten, aber noch nie hatte ausgerechnet das Elferrats-Gefährt gleich beim Start versagt. Manche Elferräte machten sich zu Fuß auf den Weg und hatten so Gelegenheit, einzelne Zuschauer mal persönlich mit Handschlag zu begrüßen oder sie verteilten sich auf andere Fahrzeuge. So verschob sich die Ankunft des närrischen Zuges an den MDR-Kameras um einige Minuten nach hinten.

Damit konnte wenigstens eine andere Panne nahezu wieder ausgebügelt werden, denn unsere weltweit verbeiteten Lifestream-Gucker sahen zunächst statt des Umzuges das Fußballspiel Zwickau gegen Kiel. Es dauerte einige Minuten, ehe der richtige der vier gleichzeitig laufenden Lifestreamkanäle gefunden war.

Bei der Durchfahrt durchs Zelt bewährte sich erstmals die „Gegentribüne“, an der nun der Umzug ganz nah vorbei fährt. Bei dem Wetter wäre es vielleicht nicht schlecht gewesen, wenn die Seitenwände gänzlich geöffnet worden wären, denn die Stickoxydbelastung war Peking im Sommer.

Aber dann kam der Umzug selbst und wir werfen mal zunächst einen Blick auf die Besten, aber dann auch noch einen kritischen Blick auf das Ende der Wertungsskala.

Als die Gruppe von Conny Ottlinger ins Zelt rein kam, ahnte ich sofort: die gewinnen,“ sagt Olaf Häßlich und manche werden dann gleich sagen: natürlich, er hat ja auch Einfluss auf die Jury-Entscheidung.

Sven Maune schreibt auf Facebook: „Immer die gleichen vorn. Die Jury sollte mal jemand völlig Neutrales sein.“ Deshalb wiederholen wir an dieser Stelle gern noch mal an dieser Stelle: jede Umzugsgruppe hat das Recht, einen Vertreter in die Jury zu entsenden und bei der Entscheidungsfindung zu mitzuwirken. Es gibt 10 unterschiedliche Kriterien, die einfließen und diese sind nicht geheim. Jede Gruppe kann die eigene Leistung daran orientieren.

Dass die Gruppe Opens external link in new windowConny Ottlinger vorn mitmischen würde, dürfte jeder an der Strecke so gesehen haben, auch wenn vielleicht andere auf der „Eins“ gesehen wurden. „Feuer und Flamme“ zu sein, wenn in Rabu der Teufel los ist, das dürfte eine Botschaft gewesen sein, die ankam. Dazu die Bewegung der Gruppe, die Interaktion mit dem Publikum und die Kostüme – die wirklich sehr sehr hohen Flammen, die durch Radeburgs enge Straßen loderten – die machen was her.

Vielleicht hätte es Opens external link in new windowder Teufel, der Prada trug, auf die Eins geschafft, wenn der 5,80 Meter hohe Teufel eine „etwas bessere Figur“ gemacht hätte. Im Vorjahr auf Platz 2 hatten sich die Mädels und Jungs um Mischa Mösch wohl diesmal etwas zu viel zugemutet – oder besser gesagt: dem Träger der teuflischen(!?) Konstruktion. „Einer trage des anderen Last,“ wäre eine christliche Empfehlung gewesen, so aber ruhte diese auf den Schultern eines Mannes, der einem schon auf der Lindenallee nur Leid tun konnte und dann waren die süßen Hündchen damit beschäftigt, ihn in der Bahn zu halten, statt die schicke Choreo zu zeigen. Inzwischen vergrößerte sich die Lücke vor der Nummer 59 ins „Unendliche“.

André Oswald am MDR-Regiepult ging vom Sender. Er erklärte hinterher: „Ich kann nicht 5 Minuten auf Sendung bleiben, wenn so lange nichts kommt.“ Ja, da reist sicher auchvielen Zuschauern der Geduldsfaden, wenn sie nicht so den Plan haben, dass noch 15, 16 Nummern kommen, darunter einige der besten. Die Kamera lief aber weiter, so dass das komplette Video jetzt dennoch zur Verfügung steht.

Auf die „3“ kam die Opens external link in new windowGruppe Uwe Lösche, den auch der eine oder andere auf „1“ gesehen hätte. Das Trio vorn ist eben das, was zu den „immer gleichen vorn“ gehört – und danach kommen die anderen Top-10-Kandidaten, die diesmal bis zum Platz 20 reichten. Marginal sind die Unterschiede zwischen den „Opens external link in new windowUhren“ auf der 4, den Opens external link in new windowSchachfiguren auf der 5, den etwas kleineren Opens external link in new windowFlammen auf der 7, den Opens external link in new windowTorten auf der 8, den Opens external link in new windowEinhörnern auf der 14 und den Opens external link in new windowHerzen auf der 16. Man kann nicht nachvollziehen, wo der eine oder andere Punkte gelassen hat, weil eben 16 Juroren auch 16 Individuen sind, werden der Objektivität Grenzen gesetzt. Für viel Aufsehen sorgten die Berwäldschen mit Opens external link in new window„Kiss“. Ein Mehrgenerationenauftritt der wirklich mitgerissen hat – die bewegliche Gitarre auf dem Wagen – einfach nur geil. Noch zu nennen: Die Gruppe Lothar Lucke: mit wenig Budget und wenig Personal unter die Top10? Das ist fast unmöglich. Mit der frühen Startnummer 11 war die Opens external link in new window„AchRABUphobie“ der erste echte Hingucker im Umzug und kam verdient auf Platz 9.

Dass die Vorjahressieger, Opens external link in new windowdie Gruppe Katrin Hausmann, auf die 10 „abstürzte“, verwundert indes doch ein wenig. Vielleicht auch eine Frage der Perspektive. Von oben auf den Tisch geschaut sah toll aus, was sich aus der Nähe vielleicht nicht so erschlossen hat.

Aber dahinter findet sich mit Opens external link in new window„Madagaskar“ die Gruppe Tennert aus Ebersbach ebenfalls eine, die man in den Top 10 vermutet hätte. Vielleicht erschloss sich den Juroren einfach nicht, dass Fossas teuflisch sind? Alex, Gloria, Melman und Marty im Kampf gegen die teuflische Natur da draußen (Raubtiernatur untermalt von „Wonderful World“) hat aber schon was Teuflisches.

Mit ihrem durchgestylten Orcus, den minoischen Bocksgestalten und Pluto auf dem Thron der Unterwelt sorgte die schwanzschwingende Opens external link in new windowBande um Markus Nicklich aus Bärnsdorf für erotische Würze auf der Umzugsstrecke. „In der Hölle ist es warm“ war dann vielleicht nur ein bisschen zu wenig „Botschaft“ für die heiße Truppe, die auf Platz 13 kam.

Der Opens external link in new window„Polarexpress“ aus Gräfenhain mit dem Teufelsflieger, der sich in die Lüfte schwang war ebenso sehenswert wie die Regenwolken aus Freitelsdorf. Beide an sich, jedes Bild auf seine Weise toll gemacht, aber eben in schwarz bzw. grau nicht so „erhellend“ wie die in frohen Farben oder zumindest von Kontrasten durchsetzen Beiträge, die Spitzenplätze belegten.

Mehr anstrengen auf den hinteren Plätzen!

Mehr anstrengen auf den hinteren Plätzen!

Aber schauen wir uns auch mal das „Ende“ der Wertungsskala an. Neben dem gleichbleibend hohen Niveau an der Spitze ist auch ein sinkendes Niveau am anderen Ende der Skala festzustellen. Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, sondern um den eigenen Ansprüchen zu genügen, sollte man nicht darüber hinwegsehen. Qualität muss vor Quantität gehen, das besonders, wenn der Umzug ob seiner Länge die Zuschauer bis zu drei Stunden in Anspruch nimmt. So ab Opens external link in new windowPlatz 30 (Gruppe 12) und im Bereich ohne Platzierung finden wir „Niveau der 60er Jahre“ und das lässt sich messen in einer hohen „Wegklickrate“, gerade wenn nicht schon am Anfang wirklich Karneval stattfindet. Nach dem RABU-Hofstaat kam besagte Nummer 12 in „historischen“ Badekostümen und fast gleich danach Gruppe 14 im Opens external link in new windowOktoberfest-Look und man fragt sich: Was hat das mit Fasching zu tun? Wäre nicht Gruppe 11 (die Spinne) dazwischen gewesen, hätte ein zufälliger Zuschauer wohl nicht mehr viel erwartet.

Zum Glück kamen dann die Ebersbacher „Opens external link in new windowSatansbraten“, Gruppe 16 mit ihrer riesigen Wiege…

Ein Beispiel, wie es nicht wirklich funktioniert, war dann Opens external link in new windowGruppe 24 aus dem Haselbachtal. Aus dem geschlossenen Wagen heraus lässt sich schön die Umzugsstrecke anschauen, aber man trägt mit fast nichts dazu bei, das Publikum zu erheitern. Cowboys mit Bierflasche interpretieren auch nicht gerade das Motto, wonach im Saloon der Teufel los ist.

Der „Opens external link in new windowJauchetrupp“ - die Nummer 41 – eine fast identische „Cowboy-Nummer“ reimte was auf Teufel, aber das führt nicht automatisch zu einem gelungenen Ergebnis. Cowboyklamotten machen auch noch keinen Gag.

Die Gruppe mit der Wunsch-Nummer „53“ sah toll aus und fand viel Zuspruch der Opens external link in new windowDynamofans an der Strecke, die mit dem Smartphone den Dynamo-Kantersieg (4:1) gegen Aue verfolgten. Dennoch war für die Gruppe zurecht keine Platzierung drin, nicht zuletzt, weil das Potential, das Dynamo als „teuflischer Club“ hat, einfach verschenkt wurde. Was hat jetzt Dynamo mit dem Motto zu tun? Viel, aber nicht, wenn Dynamofans sich einfach als Dynamofans darstellen und Punkt. Die „Pöße Pyro-Bande“, mit Bullenkopf, K-Block und erklärter DFB-Feindschaft der „Liebling“ der Leidmedien, bietet genügend Stoff. Nicht falsch verstehen: ich meine nicht, dass man die „Übeltaten“ hier zu Heldentaten verklären sollte. Der wahre Schalk versteht es, die Wahrheit zu sagen (zum Beispiel über den Irrsinn von Kollektivstrafen) indem er sie spaßig sagt. Ich könnte mir vorstellen, dass da lauter gelbe Schafe sind und der DFB-Schäfer läuft herum mit einem Eimer und einem Pinsel, und macht schwarze Schafe aus allen. Nu so ein Gedanke. Die Ideen muss man schon selber haben – aber der Fachbegriff, den man sich einprägen sollte, wenn man nach guten Bildern sucht ist: „ironische Brechung“. So wie es zum Beispiel Gruppe 26. Uwe Lehmann, gemacht hat, die „Opens external link in new windowHappy Birds“ zeigt, trotz H5N8 und fragwürdiger Vogelgrippe-Sperrzone.

Nicht alle, die ohne Platzierung sind, sind nun so viel schlechter, dass sie sich von der Kritik entmutigen lassen sollten. Die Gruppe 27 hatte mit der Opens external link in new windowTetris-Idee einen interessanten Ansatz. Falls die Botschaft „Spielsucht“sein sollte, also schon was Teuflisches“, dann kam das aber nicht wirklich rüber. Es war nur ein Sammelsurium an Figuren aus der digitalen Spielewelt. Das reicht dann eben nicht. Zuletzt wäre da noch die Opens external link in new windowGruppe 65 zu nennen. Die Freunde um Ronny Holling aus Königsbrück haben sehr schön die Dualität dargestellt, um die es beim Zweiweltenmodell, das in der 5. Jahreszeit gelebt wird, geht. Worum es bei Fasching und Karneval seit Jahrhunderten eigentlich geht – und auch in Radeburg nachgewiesenermaßen mindestens seit 170 Jahren, das könnt ihr in der Chronik lesen, die der RCC in Kürze herausgibt. 

DANKE RADEBURG!

DANKE RADEBURG!

Der Verein selbst schrieb auf seiner Facebook-Seite: „DANKE RADEBURG! Es war eine geile Zeit mit Euch. Liebe Närrinnen und Narren, es waren phänomenale Wochen, in denen wir zum 60. Mal die Herrschaft über die Stadt inne hatten. Doch das alles wäre Nichts, ohne Euch, unsere Fans. Wir danken Euch für ausverkaufte Veranstaltungen, Bombenstimmung und traumhafte Umzugsbilder. Auch bei denen, die unter Lärm, Schmutz und Straßeneinschränkungen gelitten haben, möchten wir uns recht herzlich für die Geduld und das Verständnis bedanken. Wir hoffen euch alle am 11.11.17 um 11:11 wieder froh und munter zum Auftakt des Jubiläums der 61. Saison begrüßen zu dürfen. Bis dahin bleibt gesund und verlernt das Feiern nicht! EIN DREIFACH DONNERNDES RA-BU ??? EUER RCC“

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