Eine weitere „Neuigkeit“ gab es dann beim Umzug. Zwar war es schon öfter vorgekommen in den 60 Jahren, dass närrische Vehikel ihren Dienst versagten, aber noch nie hatte ausgerechnet das Elferrats-Gefährt gleich beim Start versagt. Manche Elferräte machten sich zu Fuß auf den Weg und hatten so Gelegenheit, einzelne Zuschauer mal persönlich mit Handschlag zu begrüßen oder sie verteilten sich auf andere Fahrzeuge. So verschob sich die Ankunft des närrischen Zuges an den MDR-Kameras um einige Minuten nach hinten.
Damit konnte wenigstens eine andere Panne nahezu wieder ausgebügelt werden, denn unsere weltweit verbeiteten Lifestream-Gucker sahen zunächst statt des Umzuges das Fußballspiel Zwickau gegen Kiel. Es dauerte einige Minuten, ehe der richtige der vier gleichzeitig laufenden Lifestreamkanäle gefunden war.
Bei der Durchfahrt durchs Zelt bewährte sich erstmals die „Gegentribüne“, an der nun der Umzug ganz nah vorbei fährt. Bei dem Wetter wäre es vielleicht nicht schlecht gewesen, wenn die Seitenwände gänzlich geöffnet worden wären, denn die Stickoxydbelastung war Peking im Sommer.
Aber dann kam der Umzug selbst und wir werfen mal zunächst einen Blick auf die Besten, aber dann auch noch einen kritischen Blick auf das Ende der Wertungsskala.
„Als die Gruppe von Conny Ottlinger ins Zelt rein kam, ahnte ich sofort: die gewinnen,“ sagt Olaf Häßlich und manche werden dann gleich sagen: natürlich, er hat ja auch Einfluss auf die Jury-Entscheidung.
Sven Maune schreibt auf Facebook: „Immer die gleichen vorn. Die Jury sollte mal jemand völlig Neutrales sein.“ Deshalb wiederholen wir an dieser Stelle gern noch mal an dieser Stelle: jede Umzugsgruppe hat das Recht, einen Vertreter in die Jury zu entsenden und bei der Entscheidungsfindung zu mitzuwirken. Es gibt 10 unterschiedliche Kriterien, die einfließen und diese sind nicht geheim. Jede Gruppe kann die eigene Leistung daran orientieren.
Dass die Gruppe Conny Ottlinger vorn mitmischen würde, dürfte jeder an der Strecke so gesehen haben, auch wenn vielleicht andere auf der „Eins“ gesehen wurden. „Feuer und Flamme“ zu sein, wenn in Rabu der Teufel los ist, das dürfte eine Botschaft gewesen sein, die ankam. Dazu die Bewegung der Gruppe, die Interaktion mit dem Publikum und die Kostüme – die wirklich sehr sehr hohen Flammen, die durch Radeburgs enge Straßen loderten – die machen was her.
Vielleicht hätte es der Teufel, der Prada trug, auf die Eins geschafft, wenn der 5,80 Meter hohe Teufel eine „etwas bessere Figur“ gemacht hätte. Im Vorjahr auf Platz 2 hatten sich die Mädels und Jungs um Mischa Mösch wohl diesmal etwas zu viel zugemutet – oder besser gesagt: dem Träger der teuflischen(!?) Konstruktion. „Einer trage des anderen Last,“ wäre eine christliche Empfehlung gewesen, so aber ruhte diese auf den Schultern eines Mannes, der einem schon auf der Lindenallee nur Leid tun konnte und dann waren die süßen Hündchen damit beschäftigt, ihn in der Bahn zu halten, statt die schicke Choreo zu zeigen. Inzwischen vergrößerte sich die Lücke vor der Nummer 59 ins „Unendliche“.
André Oswald am MDR-Regiepult ging vom Sender. Er erklärte hinterher: „Ich kann nicht 5 Minuten auf Sendung bleiben, wenn so lange nichts kommt.“ Ja, da reist sicher auchvielen Zuschauern der Geduldsfaden, wenn sie nicht so den Plan haben, dass noch 15, 16 Nummern kommen, darunter einige der besten. Die Kamera lief aber weiter, so dass das komplette Video jetzt dennoch zur Verfügung steht.
Auf die „3“ kam die Gruppe Uwe Lösche, den auch der eine oder andere auf „1“ gesehen hätte. Das Trio vorn ist eben das, was zu den „immer gleichen vorn“ gehört – und danach kommen die anderen Top-10-Kandidaten, die diesmal bis zum Platz 20 reichten. Marginal sind die Unterschiede zwischen den „Uhren“ auf der 4, den Schachfiguren auf der 5, den etwas kleineren Flammen auf der 7, den Torten auf der 8, den Einhörnern auf der 14 und den Herzen auf der 16. Man kann nicht nachvollziehen, wo der eine oder andere Punkte gelassen hat, weil eben 16 Juroren auch 16 Individuen sind, werden der Objektivität Grenzen gesetzt. Für viel Aufsehen sorgten die Berwäldschen mit „Kiss“. Ein Mehrgenerationenauftritt der wirklich mitgerissen hat – die bewegliche Gitarre auf dem Wagen – einfach nur geil. Noch zu nennen: Die Gruppe Lothar Lucke: mit wenig Budget und wenig Personal unter die Top10? Das ist fast unmöglich. Mit der frühen Startnummer 11 war die „AchRABUphobie“ der erste echte Hingucker im Umzug und kam verdient auf Platz 9.
Dass die Vorjahressieger, die Gruppe Katrin Hausmann, auf die 10 „abstürzte“, verwundert indes doch ein wenig. Vielleicht auch eine Frage der Perspektive. Von oben auf den Tisch geschaut sah toll aus, was sich aus der Nähe vielleicht nicht so erschlossen hat.
Aber dahinter findet sich mit „Madagaskar“ die Gruppe Tennert aus Ebersbach ebenfalls eine, die man in den Top 10 vermutet hätte. Vielleicht erschloss sich den Juroren einfach nicht, dass Fossas teuflisch sind? Alex, Gloria, Melman und Marty im Kampf gegen die teuflische Natur da draußen (Raubtiernatur untermalt von „Wonderful World“) hat aber schon was Teuflisches.
Mit ihrem durchgestylten Orcus, den minoischen Bocksgestalten und Pluto auf dem Thron der Unterwelt sorgte die schwanzschwingende Bande um Markus Nicklich aus Bärnsdorf für erotische Würze auf der Umzugsstrecke. „In der Hölle ist es warm“ war dann vielleicht nur ein bisschen zu wenig „Botschaft“ für die heiße Truppe, die auf Platz 13 kam.
Der „Polarexpress“ aus Gräfenhain mit dem Teufelsflieger, der sich in die Lüfte schwang war ebenso sehenswert wie die Regenwolken aus Freitelsdorf. Beide an sich, jedes Bild auf seine Weise toll gemacht, aber eben in schwarz bzw. grau nicht so „erhellend“ wie die in frohen Farben oder zumindest von Kontrasten durchsetzen Beiträge, die Spitzenplätze belegten.