Afrikanische Schweinepest: Sperrzonen erstmals verkleinert

Nach dreieinhalb Jahren meldet Gesundheitsministerin Köpping einen "ersten Erfolg" beim Kampf gegen die Schweinepest. Dieser besteht in der Verkleinerung der Sperrzonen. Am 10. September 2020 wurde in Brandenburg ein erster Fall von ASP bei einem Wildschwein in Deutschland bestätigt. Am 31. Oktober 2020 gab es den ersten Fall in Sachsen. Seitdem wurden ASP-Ausbrüche bei Wildschweinen in Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern festgestellt. In Sachsen wurden bis dato insgesamt 2353 ASP-Fälle festgestellt, darunter lediglich 108 Fälle (ca. 5%) im Kreis Meißen. Der letzte aktive Fall im Kreis wurde im Juni aufgehoben.

Veralteter Hinweis auf das Kerngebiet an der Glasstraße in Boden (Radeburg).

Veralteter Hinweis auf das Kerngebiet an der Glasstraße in Boden (Radeburg). Inzwischen gehört Radeburg östlich der A13 nur noch zur Pufferzone. Eine Woche nachdem RAZ mal nachfragte, verschwanden die Sperrung und der Hinweis.

Das Kerngebiet im Landkreis Meißen wurde bereits mit Wirkung vom 14. Februar 2023 aufgehoben, da hier über mehrere Monate keine weiteren "ASP-Ausbrüche" festgestellt wurden.

Das SMS schreibt deshalb weiter, dass rund zwei Drittel der Tiere, von denen Proben eingesendet wurden "symptomatisch" waren, so dass man bei diesen davon ausgehen konnte, dass ASP vorlag. Auf Nachfrage erhielten wir von der Pressestelle des Landratsamtes Meißen die Zahlen für den Landkreis. Von den 108 positiv getesteten Fällen wurden

  • 27 Tiere entsprechend der Einschätzung des Jägers gesund (d.h. symptomlos) erlegt, aber positiv getestet. In diesen Fällen ist nicht sicher, aber auch nicht auszuschließen, dass sie tatsächlich infiziert waren.
  • 1 Tier wurde bei einem Verkehrsunfall getötet und danach positiv getestet - hier gilt das gleiche wie zuvor.
  • 5 Tiere wurden krank erlegt - d.h. sie wurden vom Jäger als auffällig beurteilt und durch den PCR-Test als ASP-Fälle bestätigt.
  • 75 Tiere wurden tot in verschiedenen Verwesungsstadien aufgefunden und positiv getestet, womit sie im veterinärrechtlichen Sinn als ASP-Verdachtsfall angesehen werden (siehe Kommentar).

Seit 4. Juni war laut Information vom Landratsamt Meißen nur noch ein Fall im Kreis Meißen aufgetreten - laut interaktiver Karte bei Weinböhla. Dieser Fall wurde Ende Juni aufgehoben. Damit gibt es im Kreis keine "aktiven Fälle" mehr. Als „aktive Fälle“ werden alle Fälle betrachtet, die weniger als ein Jahr zurückliegen. In der Oberlausitz gibt es noch 185 aktive Fälle. Jedenfalls konnten weite Teile des Landkreises Meißens aufgrund der Lage aus einer Sperrzone II (Gefährdetes Gebiet) in eine Sperrzone I (Pufferzone) überführt werden. Die Sperrzone II im Landkreis Meißen verläuft westlich der Autobahn A13 zwischen Wilsdruff und Radebeul im Süden, Coswig und Großenhain im Westen und der Bundesstraße B98 im Norden.

Sachsens für Tierseuchenbekämpfung zuständige Sozialministerin Petra Köpping erklärt: »Dass wir nach über drei Jahren die Restriktionszonen erheblich verkleinern können, ist das Ergebnis einer intensiven und gemeinsamen Bekämpfung der Tierseuche. Ich danke allen Beteiligten in den Behörden - vor allem in den zuständigen Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämtern in den Landkreisen, in der Jägerschaft und in der Landwirtschaft für ihr Engagement und ihr Durchhalten. Ich hoffe, dies ist der Anfang vom Ende der ASP in Sachsen. Wir bleiben wachsam und aktiv. Alle Bekämpfungsmaßnahmen werden fortgesetzt. Die Tierseuche ist erstmals auf ein kleineres Gebiet zurückgedrängt, getilgt ist sie jedoch noch nicht.«

In den ab sofort nicht mehr zur Sperrzone II zählenden Gebieten entfallen die verschärften Auflagen für Land- und Forstwirtschaft, Jägerschaft und allgemeine Öffentlichkeit. Es gelten nunmehr dort die »milderen« Auflagen für die Sperrzone I.

Sollte sich der positive Trend der ASP-Bekämpfung weiter fortsetzen, könnten in einem zweiten Schritt weitere Anträge zur Verkleinerung von Sperrzonen bereits im Juni 2024 gestellt werden, da bis auf Weinböhla im Kreis Meißen die Feststellung der letzten ASP-Fälle bereits ein Jahr zurückliegt. Voraussetzung ist zudem, dass auch in den Gebieten, in denen zuletzt keine neuen Fälle festgestellt wurden, intensiv Fallwildsuche und Entnahme betrieben werden. Es bleibt weiterhin Ziel, die Schwarzwildpopulation flächendeckend abzusenken, um dem ASP-Virus den Wirt zu entziehen.

Wer ist für Sperrungen zuständig? Gute Frage! Dann gab es eine Reaktion.

RAZ fragte bei verschiedenen Behörden nach, warum es noch geschlossene Zäune östlich der A13 gibt (siehe Fotos), obwohl schon seit über einem Jahr das Kerngebiet aufgehoben und nun auch die Schutzzone abgestuft wurde. Das SMS verweist auf das Veterinäramt beim Landratsamt Meißen, das Landratsamt Meißen hingegen teilt mit: 
"Die Entscheidung, ob ASP-Schutzzäune geöffnet oder abgebaut werden, liegt im Landestierseuchenbekämpfungszentrum (LTBZ) und damit bei der Landesdirektion Sachsen und beim SMS. Die Eindämmung der Schwarzwildbewegung fand und findet im gesamten Restriktionsgebiet statt. Es wurden auch in der Sperrzone I Zäune errichtet, um Kompartimente zu bilden, in denen die Wildschweinpopulation leichter zu kontrollieren ist. Trotz Aufhebung der Kernzone befinden sich die genannten Gebiete noch innerhalb des Sperrgebietes. Ein Rückbau der Zäune wurde in diesen Gebieten bisher nicht als zielführend erachtet. Die Zäune werden weiterhin regelmäßig kontrolliert und gewartet."

PCR-Test ist keine Diagnose

Kommentar

Der Hang zur Übertreibung scheint eine deutsche Grundtugend zu sein. Dies beginnt beim Begriff "Schweinepest". Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch wird das Wort "Swine Fever" (hier konkret "African Swine Fever" (ASF) gebraucht. Zu harmlos für uns um "ein Fieber" ernst zu nehmen?

Des weiteren ist die Rede von "ASP-Ausbrüchen". RAZ fragte beim zuständigen Sächsischen Staatsministerium für Soziales (SMS) nach, was unter "ASP-Ausbrüchen" zu verstehen ist. Ähnlich wie bei Corona werden "Ausbrüche" auf der Basis von PCR-Tests festgestellt. "Im veterinärrechtlichen Sinn ist das ein „Verdacht“, schreibt das SMS dazu. Aha. ein Verdachtsfall wird zum "Ausbruch" hochgejazzt. Wir kennen das schon. Das SMS führt vorsorglich weiter aus, "dass der positive Befund noch einmal durch das nationale Referenzlabor am Friedrich-Löffler-Institut bestätigt werden muss."  Labordiagnostiker sagen, für jegliche PCR-Tests gilt: "Die Interpretation eines Testergebnisses hängt nicht nur von den Eigenschaften des Tests selbst ab, sondern auch von der Krankheitswahrscheinlichkeit vor dem Test."  das heißt, fachlich richtig wäre, das positive Ergebnis mit anderen Befunden abgeglichen, statt noch einmal in einem anderen Labor zu testen. Der nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit so ermittelte Fall gilt dann als "bestätigter ASP-Fall" - oder wie man es fälschlich ausdrückt: als "Ausbruch".  Der Begriff "Ausbruch" sollte statt für ein positives Testergebnis nur dann gebraucht werden, wenn durch Begleitbefunde bestätigte(!) Fälle massenhaft in einem bestimmten Gebiet auftreten.

Nach Einführung des PCR-Tests beim Menschen war es nur eine Frage der Zeit, dass PCR-Tests auch bei Tieren zur Anwendung kommen. Wie schon beim Menschen gilt auch beim Tier, dass man mit dem PCR-Tests "alles finden kann", und dass "ein Test keine Diagnose ersetzt". Wie schon bei Corona wurde auch hier fälschlich auf die Diagnose verzichtet und allein auf den (wiederholten) PCR-Test vertraut und damit verhindert, dass man verlässliche Daten hat. So weiß man nicht, wie sinnvoll die Maßnahmen waren.

Allein Sachsen brachte für die ASP-Bekämpfung mindesten 60 Millionen Euro auf. Die Frage muss erlaubt sein, ob nicht Seuchenschutzmaßnahmen bei den Schweinehaltern sinnvoller und kostengünstiger gewesen wären, als so global in die Natur einzugreifen und durch Zäune die Lebensräume zahlreicher Tierarten zu zerschneiden. Wir dürfen uns auf die nächsten millionenschweren "Maßnahmen" gefasst machen, aufgrund der anstehenden PCR-Tests bei Rindern auf Vogelgrippe, wenn wir nicht anfangen, die richtigen Fragen zu stellen.