125 Jahre Tischlerei Zeidler: 8000 € für KiTa's und Bambinis

Am Samstag, dem 24. September, feierte die Tischlerei Zeidler ihr 125. Jubiläum mit einem Tag der offenen Tür. Statt Blumen oder Geschenken baten sie ihre Gäste um Spenden für Radeburgs Kindertagesstätten und die Bambini-Feuerwehr. Am Ende kamen 8000 € zusammen.

 

Drei Generationen in einem Unternehmen – Mario, Leopold und Günther Zeidler (v.l.) - Foto: Torsten Flechsig

Drei Generationen in einem Unternehmen – Mario, Leopold und Günter Zeidler (v.l.) - Foto: Torsten Flechsig

Bereits am Tag zuvor feierten die Zeidlers mit Lieferanten, Partnern, Wiederverkäufern, Handwerkskammer, Innung, Volksbank und Sächsischer Aufbaubank. Hunderte Neugierige kamen, um einen Blick in die Produktionsstätte zu werfen und um bei Bratwurst, Gulaschsuppe, Kuchen, Kaffee und diversen anderen Getränken ins Gespräch zu kommen. Der Segway-Parcours mit Kinder- und Babyquad, die Carrera-Autorennbahn mit Moderation sowie Hüpfburg und Feuerwehr Katastrophenfahrzeug mit Kinderziellöschen trugen zu einem schönen Tag bei. Ab 18 Uhr wurde dann bei gutem Essen und Trinken ausgiebig bis in die Morgenstunden gefeiert. Der gespendete Betrag von 8000 Euro wurde durch fünf geteilt. Und so konnten sich die Kitas Volkersdorf, Großdittmannsdorf, Sophie Scholl und Glückspilze in Radeburg sowie die Bambini-Feuerwehr über jeweils 1600 Euro freuen.

Nach der Jubiläumsveranstaltung der Tischlerei Zeidler, traf sich "Radeburger Anzeiger" mit den Generationen 3 bis 5 im Büro der Tischlerei im Gewerbegebiet und fragte noch einmal nach Episoden aus der Familiengeschichte. 

Zunächst bedankte sich Mario Zeidler im Namen der Familie und der MItarbeiter für die großzügigen Spenden und bei allen, die an den gelungenen Veranstaltungen Anteil hatten. "Besonderes Lob an Marcel Krause und seinem Team der Schützenhaus Eventgroup. Sie haben bei allen drei Veranstaltungen unsere Gäste hervorragend bewirtet." Er dankte ausdrücklich dem RCC für seine Darbietungen, DJ Hannes und allen Mitwirkenden, die für einen schönen, bis in die Morgenstunden dauernden Abend gesorgt hatten.

Aber nun zur Familiengeschichte. Die begann vor 125 Jahren. Natürlich gibt es da keine Zeitzeugen mehr, aber tatsächlich kann Günter Zeidler (Generation 3) sich noch an seinen Großvater Theodor Zeidler erinnern, der die 1. nachweisbare Tischlergeneration darstellte. Möglicherweise waren auch zuvor die Zeidlers schon Tischler, aber darüber konnten keine Nachweise mehr gefunden werden. Damals gab es vielleicht 10 Tischler in Radeburg.
„Als Tischler konnte man damals nicht viel verdienen,“ erinnert sich Günter Zeidler, „man darf nicht vergessen: es gab keinen Strom. Um größere Bretter zu hobeln, musste man nach Großdittmannsdorf in die Mühle. Dann ist man mit den Brettern auf einem Handwagen nach Dresden auf den Markt gelaufen, um sie dort anzubieten.“
Großvater Theodor wurde 1956 beerdigt – am gleichen Tag, an dem Günter Zeidler mit 16 Jahren in Dresden seinen Gesellenbrief erhielt. Er bummelte absichtlich auf dem Nachhauseweg, um nicht an der Beerdigung teilnehmen zu müssen. 
Das Haus des Großvaters ist die Röderstraße 16, das Quergebäude dort, wo die Straße einen kleinen Platz mit Obstbäumen abschließt. Günters Vater Alfred hatte „in die Großenhainer Straße“ eingeheiratet. Die heutige „Wollkiste“ von Mario Zeidlers Schwester, Sylke Schuppe, war damals ein Glas- und Porzellanladen. Im Hinterhof entstand dann die Tischlerwerkstatt in der ab 1922 Alfred Zeidler seinen Handwerksbetrieb hatte.  
Viele Radeburger Tischler gingen während der Wirtschaftskrise in Konkurs, erinnert sich Günter Zeidler. Er hörte immer einen Bekannten gegenüber seinem Vater spotten: „Und wann gehst Du Pleite?“ Aber irgendwie schaffte es sein Vater Alfred, durch Wirtschaftskrise und Krieg zu kommen. 
Alfred Zeidler war 13 Jahre älter als seine Frau, damit war auch der Altersabstand zwischen Alfred und Sohn Günter relativ groß. Als Günter 1972 das Geschäft von seinem Vater übernahm, hatte er es de facto schon viele Jahre geführt. Dabei war die Übernahme alles andere als selbstverständlich. Die DDR-Regierung hatte sich nach der Kollektivierung der Landwirtschaft auch die Kollektivierung des Handwerks zum Ziel gestellt. Als Günter Zeidler im Gewerbeamt beim Rat des Kreises Dresden (Landratsamt) eine Gewerbeummeldung auf seinen Namen abgeben wollte, wurde ihm offeriert, dass das nur ginge, wenn er eine PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) gründen würde. 
Dies bedeutete auch eine stärkere staatliche Einflussnahme und daran hatte der ans selbständige Arbeiten gewöhnte Tischler kein Interesse. Er erkundigte in der Glasfaserfabrik (heute Mitras) nach einer Stelle und bekam einen Arbeitsvertrag. Nun nahm er wieder Kontakt mit dem Amt auf, teilte mit, dass er ab 1. Oktober diesen Arbeitsvertrag habe und nun den Gewerbebetrieb abmelden wolle. 
Allerdings war auch im Sozialismus das Handwerk unverzichtbar und so gab man ihm den Gewerbeschein schließlich doch. „Sogar rückwirkend,“ erinnert sich der Senior und lacht: „verbunden mit der Auflage, für die Bevölkerung zu produzieren.“
Zur soliden Handwerksarbeit für die Bevölkerung gehörte unter anderem auch 1989 die Sanierung des Hirsch-Saales anlässlich des 700jährigen Jubiläums der Stadt Radeburg. Die abgehängte Decke im hinteren Teil des Saales und die Verkleidung aus Eschenholz an den Wänden war dann schon unter Mitwirkung von Mario Zeidler entstanden. „33 Jahre ist das jetzt her und hält bis heute,“ sagt der heutige Firmenchef und damalige Lehrling amüsiert.
Am 7. Oktober 1989 wurde das 700jährige Stadtjubiläum gemeinsam mit dem 40. Jahrestag der DDR im renovierten „Hirsch“ gefeiert – einen Monat später fiel die Mauer. 
Die Wende kam, das Westgeld, die deutsche Einheit. Viele Firmen, für die Günter Zeidler gearbeitet hatte, fielen weg, die Aufträge brachen ein und er dachte erneut ans Aufhören. Doch viel Zeit zum Grübeln blieb ihm nicht. Erstens machte Sohn Mario Druck, indem er seinem Vater klarmachte, dass er sich entscheiden muss, in den Westen zu gehen oder hier zu bleiben, zweitens kam gerade im richtigen Moment ein „Superauftrag“:  Fenster, Türen und Einbauten für das Möbelhaus Ohorn. Die Idee, aufzuhören, war vom Tisch. „Das Möbelhaus gibt‘s inzwischen nicht mehr, aber uns gibt’s immer noch,“ sagt Günter Zeidler und guckt, als staune er selber über diese Tatsache. Es kamen neue Investoren, es wurde mehr gebaut denn je. Es gab auch keine Materialnot mehr, wo früher jedes noch so kleine Fenster „bilanziert“ werden musste, also das Material staatlich zugeteilt wurde. Das Handwerk blühte auf. Man konnte selber investieren, es gab KfW-Kredite und Fördermittel. 
„Als ich gerade 18 war,“ erinnert sich Günter Zeidler, „kaufte mein Vater ein Grundstück von Alwin Hammer am Badergarten, Königsbrücker Straße. Die Fläche wurde benötigt, um in der dort vorhandenen Scheune Holz trocknen zu können.“ Die Zeidlers hatten dann auch Glück mit verkaufsbereiten Nachbarn, so dass sie 1994 das Grundstück erweitern und eine 1000 m² große Produktionsstätte errichten konnten.
So konnte im Oktober 1997 das 100jährige Bestehen des Familienunternehmens gefeiert werden, das inzwischen 10 Mitarbeiter beschäftigte. 
Und schließlich kam das „Millennium“. Krude Weltuntergangstheorien schossen ins Kraut. Davon ließ sich Günter Zeidler zwar nicht beeindrucken, aber er sah in der Zahl 2000 ein Zeichen, dass es nach über 30 Jahren, wenn man die Zeit als De-Facto-Chef im väterlichen Betrieb mitzählt, daran sei, das Steuer weiterzugeben. Nein, das war noch nicht das dritte Mal, das er ans Aufhören dachte. Er wollte gerne seine Arbeitskraft weiter zur Verfügung stellen – nur eben nicht mehr mit der Verantwortung für das Unternehmen.  
Mario Zeider, der inzwischen seinen Meister gemacht hatte, war bereit für die Führungsaufgabe und es „funktionierte“ fast 18 Jahre lang mit altem und neuem Chef. Das ist auch die Gelegenheit, auf die Rolle der nicht mit am Tisch sitzenden Anett Zeidler einzugehen – Marios Frau, Mutter seiner Kinder Leonie und Leopold. Sie zieht die Fäden im Hintergrund, hat den Überblick und vor allem ein ausgleichendes, auf Harmonie bedachtes Wesen. Außenstehende sehen das weniger, aber Marios Schwester Sylke Schuppe ging in ihrem Grußwort bei der Jubiläumsfeier darauf ein. Frauen stehen in Familienbetrieben nur formal in der zweiten Reihe, die Männer aber wissen: ohne ihre Frauen ginge nichts - oder jedenfalls: nicht so gut.