Im Bescheid wird den Bürgern zunächst ausführlich die Rechtslage erläutert, „derzufolge (dürfen) Verkehrsverbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn eine Gefahrenlage besteht, die - erstens - auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und zweitens - das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung wichtiger Rechtsgüter (insbesondere Leben und Gesundheit sowie Eigentum) erheblich übersteigt." (Hervorhebung im Bescheid).
Die „Erheblichkeit“ der Beeinträchtigung war zu objektivieren. Weder die Regelbreite der Straße (5,50 – 6,40 m), noch die zwischen 2011 und 2016 erfassten Unfalldaten sprechen aus Sicht der Behörde für erhöhte Risiken. Die Anwohner sehen diese trotzdem – nicht zuletzt aufgrund des fehlenden Fußweges.
„Um nach meinem schweren Herzinfarkt wieder etwas in Bewegung zu kommen, versuch ich ab und zu eine kleine Strecke spazieren zu gehen,“ schreibt Anwohner Jürgen Simon an RAZ. „Dabei begebe ich mich fast jedes mal in Gefahr. Viele, sehr, sehr viele Fahrzeugführer zwingen mich, vor allem LKW Fahrer, in den Straßengraben oder ich muss mich gegen Zäune und Mauer drängen oder auf unbefestigte, schlammige Seitenstreifchen ausweichen. Wahrscheinlich muss es doch erst Tote oder Verletzte geben, damit Politiker, der Staat, die Ämter in Verantwortung gehen.“
Das Amt meint dazu: „Eine Sondersituation oder auch explizite Gefahrenlage ergibt sich auch durch die fehlenden Gehwegflächen nicht. Dadurch, dass das Fußgängeraufkommen ebenso wie der Fahrzeugverkehr als gering einzuschätzen ist, wird eine besondere Gefahrenlage nicht gesehen.
Darüber hinaus ist bereits aufgrund der fehlenden Gehwege und der Bushaltestelle im betroffenen Abschnitt das Gefahrzeichen 136 (Achtung Kinder) aufgestellt worden. Damit muss die Höchstgeschwindigkeit im Schutzbereich dieses Gefahrzeichens durch die Kraftfahrer so gewählt werden, dass unter Berücksichtigung der Reaktionszeit ohne Gefahrenbremsung angehalten werden kann, wenn plötzlich ein Kind auftaucht. Innerorts bedeutet das eine Geschwindigkeit von nicht mehr als 30 km/h, je nach Situation auch wesentlich geringer. Dieses Gefahrzeichen hat damit eine wesentlich höhere Bedeutung als eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h.“
Genau auf Letzteres hatte Amtsleiterin Viola Werbig hingewiesen und sogar angekündigt zu prüfen, ob dieses nicht einfach 300 Meter in Richtung Ortseingang verlegt werden könne. Doch zu dieser eigentlich sehr hilfreichen Idee gibt es im Bescheid keine Aussage.
Vielmehr orientiert das Amt auf eine Durchsetzung der bestehenden Regelung durch vermehrte Geschwindigkeitsmessungen durch das Kreisordnungsamt als zuständige Polizeibehörde. Begründet wird dies mit dem Ergebnis der im November mittels Verkehrsstatistikgerät erfassten Daten. Dazu heißt es in der Begründung des Bescheids: „Mit einem solchen Verkehrsstatistikgerät
können die jeweilige Anzahl der Fahrzeugart (PKW, LKW, LKW mit Anhänger, einspurige Fahrzeuge) sowie die gefahrenen Geschwindigkeiten ermittelt werden.“
„Die Auswertung der gefahrenen Geschwindigkeiten zeigt“, so stellt die Behörde fest, „dass für den PKW-Verkehr nur sehr geringfügige Geschwindigkeitsübertretungen erfasst wurden. Die V85 für PKW (85 % fahren langsamer oder maximal diese Geschwindigkeit) lag in Fahrtrichtung Dresden
bei 46 km/h und in Fahrtrichtung Bärnsdorf bei 51 km/h. Bei den Messergebnissen des LKW-Verkehrs betrug die V85 in beiden Fahrtrichtungen 46 km/h und zeigt, dass sich eine Vielzahl der LKW-Fahrer nicht an die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 30 km/h hält.“
Der Anteil der Schwerlaster am gesamten Verkehrsaufkommen (2980 Kfz/Tag) betrug im Messzeitraum 4%. Eine bundesweite Zählung im Jahr 2015 hatte Ähnliches, nämlich 5% von 3141 Kfz/Tag ergeben. Bei diesen zahlen reiben sich Anwohner verwundert die Augen, denn „gefühlt“ donnert alle 10 Minuten ein Schwerlaster über die Volkersdorfer Hauptstraße.
Neben den Geschwindigkeitsmessungen durch die Polizeibehörde gäbe es auch noch die Möglichkeit, in eine 2500 Euro teure Tempo-Messtafel zu investieren. Diese Idee brachte Sven Görner in seinem Beitrag in der „Sächsischen Zeitung“ am vergangenen Freitag ins Spiel.
Ob die Volkersdorfer zum Bescheid in Widerspruch gehen wissen sie zwar noch nicht, aber warum die vom Amt selbst vorgeschlagene Versetzung des Schildes „Achtung Kinder“ nicht weiter verfolgt wurde, sollte zumindest Grund für eine Nachfrage sein.