Milchproduktion in Radeburg wird eingestellt

Die Bauernproteste gegen die zerstörerische „Ampelpolitik“ kommen zu spät für die Agrargenossenschaft Radeburg. Der Bundestag beschloss heute (2. Februar) wie befürchtet den von den Landwirten unerwünschten Haushalt. Nun liegt die Entscheidung bei den Ländern im Bundesrat, ein weiteres Sterben der Landwirtschaft zu verhindern.

Barbara Benkstein (MdB) und Denis Thomas,

Barbara Benkstein (MdB) und Denis Thomas, Vorsitzender der Radeburger Agrargenossenschaft, bei einem der letzten Kälbchen, die in Großdittmannsdorf aufgezogen werden.

Am 1. Februar verbreitete die Agrargenossenschaft über soziale Medien folgende Information:

„Wir (Agrargenossenschaft Radeburg) haben gestern in einer außerordentlichen Generalversammlung die Stilllegung der Milchproduktion einschließlich Nachzucht beschlossen. Hauptgrund ist die Verdreifachung des Strompreises. Investitionen in die Branche sind derzeit nicht machbar.“

Das, obwohl die „Agrar“ mit der eigenen Biogasanlage selbst Strom erzeugt. Gesetze, Vorschriften und eine ungewisse Zukunft für die Branche nennt die „Agrar“ als weitere Gründe.

Dazu gehört die Bewertung der Lage eines geplanten Neubaus der Stallanlage nahe dem NATURA 2000 Vogelschutzgebiet „Moritzburger Kleinkuppenlandschaft“. 250.000 € hat die Genossenschaft in die Planung investiert, ehe die Naturschutzbehörden aufgrund dieser Lage weitere Auflagen erteilten, was weitere 50.000 € Planungskosten verursacht hätte – ohne zu wissen, ob das dann schon das „Ende der Fahnenstange“ ist. Selbst ein eigentlich als finanzstark eingeschätzter großer Betrieb kann das nicht mehr stemmen. Von den noch ungenannten Baukosten ganz zu schweigen.

Damit verschwinden um die Orte Radeburg, Bärwalde, Medingen, Marsdorf, Weixdorf, Ottendorf- Ockrilla, Grünberg, Schönborn, Reichenberg, Berbisdorf, Bärnsdorf Rinder weitgehend aus dem Landschaftsbild, abgesehen von ca. 20 bis 30 Mutterkühen am Standort Großdittmannsdorf und einigen Biobauern mit Direktvermarktung.

400 Milchkühe gibt die Genossenschaft ab. Marita, Verfasserin der Nachricht, schreibt weiter: „Das ist schon eine Nummer - am 1. Mai 1969 sind unsere 11 Kühe in den LPG-Stall gegangen (ich kann mich noch ganz genau daran erinnern - kein schöner Tag) und genau 55 Jahre später gehen Ende April die letzten Kühe vom Hof - in die Masuren wurden sie verkauft. Und es wird so weitergehen - im Erzgebirge gibt es schon ganze Landkreise ohne Milchkühe. Was für eine Entwicklung - wir holen uns eben die Nahrungsmittel aus dem Ausland- alles Bio und CO2- neutral - dümmer kann ein Volk nicht mehr sein.“

Rüdiger Stannek (DIE LINKE), Mitglied des Aufsichtsrates, versucht auf Nachfrage von RAZ, zunächst  das Positive zu sehen. „Die 15 der 50 Mitarbeiter, die in der Milchproduktion tätig waren, haben alle bereits neue Arbeitsverträge. Vorstandsvorsitzender Denis Thomas hat sich auch um die Vermittlung aller Lehrlinge gekümmert.“ Doch Stannek ist auch nicht unbedingt optimistisch, was die Zukunft der „restlichen Agrargenossenschaft“ angeht. „Mit guten Ernten baut man normalerweise ein Polster auf. Die sind aufgrund der Fehlinvestition jetzt verloren. Wenn wir in diesem Jahr eine schlechte Ernte einfahren, dann gehen die Lichter ganz aus,“ so Stannek. Da die Düngeverordnung (siehe RAZ 1/2024, Punkt 3) vorschreibt, dass der Boden nur 80% von dem Dünger erhalten darf, den er braucht, stehen die Zeichen nicht sonderlich gut.

Der Bundestag hat heute (2. Februar) mit den Stimmen der Ampelfraktionen den für die Bauern (und damit letztlich für die Verbraucher) nachteiligen Haushalt beschlossen. Dafür stimmte auch der fraktionslose Vertreter der Dänischen Minderheit, Stefan Seiler. Dagegen stimmten alle anwesenden Abgeordneten der CDU, der AfD und die übrigen anwesenden 40 Fraktionslosen, darunter die der ehemaligen Fraktion DIE LINKE.  (Abstimmungsergebnis hier.)

Die Vertreterin unseres Landkreises im Bundestag, Barbara Lenk (AfD), begründete ihre Ablehnung: „Wer Klimawahn und Abzocke von Unternehmen und Bürgern zur Grundlage seiner Politik erklärt, vertreibt die Wirtschaft und vernichtet Arbeitsplätze. So wie jetzt in Radeburg. Die AfD fordert dringend eine nachhaltige Stärkung aller landwirtschaftlichen Betriebe. Sie sind das Rückgrat unseres Landes.“

Die Entscheidung über den Haushalt liegt nun auf dem Tisch des Bundesrates, denn es ist ein so genanntes „Einspruchsgesetz“. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich ab 22. März mit dem Haushaltsfinanzierungsgesetz befassen. Sollte der Bundesrat den vom Bundestag beschlossenen Haushalt mit einer Mehrheit ablehnen, kommt das Gesetz in den Vermittlungsausschuss.

Spannend dürfte die Abstimmung jener neun Länder sein, deren Bundestagsfraktionen unterschiedlich gestimmt haben, darunter auch Sachsen.

Große Resonanz in der politischen Öffentlichkeit

"Ich hätte nie gedacht, dass die Bekanntgabe unseres Bechlusses in den sozialen Medien so eine Resonanz erzeugt," sagte Denis Thomas gegenüber RAZ. eine Woche nach Bekanntwerden waren Politiker aller Ebenen beim zu Besuch - darunter Sebastian Fischer (MdL, CDU), Bianca Wunderwald (CDU-Kreisvorsitzende), sowie Falk Müller und Dr. Sven Eppiger - wie Fischer ebenfalls Direktkandidaten aus dem CDU-Kreisverband bei den Landtagswahlen

Der Bericht zu ihrem Besuch unter dem Titel "Mindestlohn für Milchkühe!" findet sich auf der Webseite des Kreisverbandes.

Barbara Benkstein, Mitglied des Bundestages, besuchte die Agrargenossenschaft

Am vergangenen Dienstag, 13. Februar, besuchte die Vertreterin des Landkreises Meißen im Bundestag, Barbara Benkstein (AfD), die Agrargenossenschaft, um sich ein Bild zu machen und zu fragen, wo aus Sicht des Bundes Hilfe möglich ist.
„Wesentlicher Grund sind die nicht mehr vertretbaren Kosten,“ erklärt Denis Thomas. Allein an Planungsleistungen wurden hohe Summen ausgegeben, die man im Nachhinein als vergebens ansehen muss.“ Bereits vor ca. 15 Jahren wurde mit einer Planung für einen Stallneubau von 90 bis 100 T€ am Altstandort Berbisdorf begonnen. Das wurde aufgrund der Planung eines Gewerbegebietes abgelehnt. Der zweite Plan war an der Autobahnbrücke beim Herklotz-Wald. Dort scheiterte die Agrar an der Auflage, per Gutachten nachzuweisen, dass dort lebende 28 Vogelarten nicht beeinträchtigt werden. Da waren die nächsten ca. 90 T€ verloren. Inzwischen gibt es in Größenordnungen höhere Auflagen.  „Ab 2026 müssen Mistplatten überdacht sein, Güllegruben müssen überdacht sein,“ erklärt Denis Thomas. „Wir haben in unserem Altbestand keine Statiken mehr. Nachzuberechnen wäre auch wieder teuer, also haben wir gesagt: wir bauen neu hier in Großdittmannsdorf. Wir haben wieder 42T€ in die Hand genommen, nur um die Möglichkeit prüfen zu lassen ob das hier geht. Am 3. Januar kam vom beauftragten Ingenieurbüro die Empfehlung, doch lieber in Photovoltaik und Windkraft zu investieren, denn das würde an der Grenze zum Vogelschutzgebiet eher genehmigt als ein Kuhstall.“
Gemeinsam hat man sich dann hingesetzt und die Sache betriebswirtschaftlich durchgerechnet. 
Es ist ja nicht nur der Stall. „Wir brauchen Zuwegung, Abwasser mit Staustufen-Rückhaltebecken, wir bauen Gruben für Feuerlöschwasser  - und da sind wir schon bei 5 Millionen,“ so Denis Thomas.
Dann  wurde Kassensturz gemacht. Im vergangenen Sommer war der Milchpreis auf 36Cent abgestürzt - unter den Produktionspreis der Agrar. Also Verluste. Dazu kam das Auslaufen der Stromverträge in `22. Verdoppelter Strompreis hieß: 150 T€ mussten `23 mehr berappt werden. Es wurde versucht, den Verlust über die Biogasanlage abzufangen. Am 4. Januar wurde von einem Gutachter mitgeteilt, dass die erwarteten Einspeisevergütungen nicht gezahlt werden. 
Ein „normales“ Unternehmen legt höhere Kosten auf die Kunden um. In der Landwirtschaft werden dem Produzenten aber die Preise, die er verlangen kann, vorgegeben. Aufgrund der Preissteigerungen geht die Rechnung nun endgültig nicht mehr auf.
„Das war dann der Grund für mich, sagt Denis Thomas, „zu entscheiden: jetzt ist Schluss. Die Wirtschaftlichkeit ist nicht mehr gegeben. Ich berufe die Mitgliederversammlung ein.“
Die Mitgliederversammlung hatte einstimmig entschieden, die Milchproduktion zu beenden - also einschließlich der Mitglieder, die auch Beschäftigte in der Tierproduktion sind und durch die Entscheidung ihren Job verlieren. 
Doch auch für die Pflanzenproduktion ziehen dunkle Wolken auf. Heiko Hennersdorf, für Pflanzenbau zuständiges Mitglied des Vorstandes macht klar, dass die Pflanzenproduktion ebenfalls am Markt keine wirtschaftlich tragfähigen Preise mehr erzielen kann. Grund dafür sei, dass ukrainisches Getreide billig auf den Markt geworfen werde. Er vermutet, dass daran noch nicht einmal die Händler etwas verdienen. 
Frau Benksteins Assistent, Kerem Dilmac, erklärt dazu, dass hier Subventionen stattfinden, wie sie mit Ländern außerhalb der EU bisher völlig unüblich waren.
Eine Zukunft für die Pflanze sieht Heiko Hennersdorf praktisch tatsächlich nur noch im Pflanzenbau für die Biogasanlage. 
Auch Denis Thomas kann sich vorstellen, dass man auf diese Weise zum Strom- und Wärmeversorger wird. „Rechnerisch wäre es möglich, ganz Radeburg mit Energie und Wärme zu versorgen. Wir sind sogar schwarzstartfähig und dadurch autark. Am Donnerstag habe ich einen Termin mit der Bürgermeisterin zu diesem Thema.“
Auf die Frage von Barbara Benkstein, wobei man ihnen aus Sicht des Bundes helfen könne, sagt Heiko Hennersdorf: Zwei Dinge: dass man sich vor die einheimischen Bauern stellt und sie vor Benachteiligungen schützt und dass man dafür sorgt, dass Entscheidungen mit fachlicher Kompetenz getroffen werden.