Der Freistaat beschließt – die Eltern müssen zahlen – so geht das nicht weiter!

In der Sitzung des Stadtrates am 21.11.24 sollte beschlossen werden, die Platzkosten und Elternbeiträge für die Betreuung von Kindern in Kindereinrichtungen und Kindertagespflegestellen in der Stadt Radeburg zu erhöhen. Wesentlicher Auslöser für diese Erhöhung ist das vom Sächsischen Landtag einstimmig beschlossene „KiTa-Moratorium“, das letztlich Eltern stärker belastet. Auf Antrag der ULR wurde der Beschluss auf die Sitzung am 21.01.25 vertagt.

Keine KiTa's schließen - darüber ist man sich von Land bis Kommune einig, nur wer die dadurch pro Kind entstehenden Mehrkosten übernehmen soll, weil es derzeit weniger Einzahler gibt - das bleibt unklar.

Das so genannte „KiTa-Moratorium“ beruht auf der negativen Erfahrung mit Schulschließungen. Viele Schulen wurden aufgrund geburtenschwacher Jahrgänge um die Jahrtausendwende geschlossen, es wurden weniger Lehrer ausgebildet und in der Folge fehlten sowohl Kapazitäten und vor allem Personal, als die Schülerzahlen wieder anstiegen. Dieser Zyklus wiederholt sich gerade, beginnend bei den Krippen und Kindergärten. Weniger Kinder bedeuten weniger Einzahler. Bei einem feststehenden Betreuungsschlüssel wäre ein Weg, Personal zu entlassen, um die Elternbeiträge stabil zu halten. Vor dem Hintergrund neuer Tarifabschlüsse und höherer Kosten für Heizung und Strom ist selbst das schon schwierig und die Frage drängt sich auf, ohnehin sanierungsbedürftige Einrichtungen zu schließen, um weitere Kosten zu sparen. 
Aus Sicht des Landesparlamentes soll dieser Weg in Erwartung künftig wieder stärkerer Jahrgänge vermieden werden. Sachsen schneidet beim Betreuungsschlüssel im bundesdeutschen Vergleich schlecht ab. Aktuell kommen in den Kinderkrippen fünf Kinder auf eine Erzieherin, in den Kindergärten sind es 12 und in den Horten etwa 20. Das Moratorium will also erreichen, dass statt zu entlassen, der Betreuungsschlüssel verbessert wird. Dies käme den Erziehern und nicht zuletzt den Kindern entgegen  - durch bessere Zuwendung für jedes Kind. Die Zeit kann auch genutzt werden, für Erziehernachwuchs zu sorgen, um auch bei steigenden Zahlen dann einen besseren Betreuungsschlüssel zu halten. 

Deshalb hat der Freistaat beschlossen, trotz sinkender Kinderzahlen seinen Zuschuss zu den KiTa’s 2025 bei 920 Millionen Euro zu halten. So weit so erfreulich, doch wer bis hier genau gelesen hat wird zu dem Schluss kommen, dass ein Halten des Zuschusses trotz höherer Tarif-abschlüsse, steigender Gemeinkosten und sinkender Kinderzahlen ein Defizit aufreißt, das die Kommunen nun zwingt, dieses den Eltern aufzubürden. Eine Erhöhung der Kosten von einem Vollzeit-Krippenplatz (9 h) von jetzt 260 € über 280 € ab 01.01.25 und auf 300 € ab 2026 ist sicher nicht das Signal, das einer Stadt zu Gesicht steht, die mit einem jährlichen „Babyempfang“ herausstellt, wie wichtig ihr der Nachwuchs ist. 

Entsprechend kritisch sieht auch der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) die Situation. Die Kita-Betriebskostenzuschüsse des Landes und des Bundes trugen bisher zu einem guten Drittel zur Deckung der Betriebskosten bei. Durch den Beschluss, den Zuschuss stabil zu halten, sinkt dieser Anteil. Bisher trägt die kommunale Ebene rund 50 Prozent der Betriebskosten. 
Der SSG verweist darauf, dass zum Halbjahr 2024 die kommunalen Haushalte ein Defizit von 216 Millionen Euro angehäuft haben. Die Ursachen liegen laut SSG vor allem in der nach wie vor hohen Inflation sowie stark steigenden Personal- und Sozialausgaben. „Berücksichtigt man zudem die nicht erwirtschafteten Abschreibungen, dann findet allein im 1. Halbjahr 2024 in Sachsen ein Werteverzehr des kommunalen Vermögens von über einer dreiviertel Milliarde Euro statt, d. h. der Zustand von Kitas, Schulen, Straßen, Feuerwehren etc. hat sich um diesen Betrag verschlechtert.“ Präsident Bert Wendsche (parteilos) verwies auf die Carolabrücke als Beleg dafür, was es für Folgen haben kann, wenn man diesen „Werteverzehr“ außer Acht lässt. (Quelle SSG)

Die knappen Kassen der Kommunen verleiten nun dazu, die höheren Kosten dem schwächsten Glied in der Kette, den Eltern, aufzubürden. Ihr Anteil betrug bisher 15%, ist also der kleinste. 300 € pro Monat sind aber eben auch kein Pappenstiel. „Es kann doch nicht alles an den Eltern hängen bleiben,“ stellte Stadtrat Ulf Walther fest. „Es werden immer weniger Kinder kommen, wenn man sie sich nicht mehr leisten kann oder will.“ Wer durchschnittlich gut verdient ist besser dran, wenn er auf Kinder verzichtet. Es ist ja nicht nur der Krippenbeitrag, den er spart. Ein Kind kostet verschiedenen Quellen zufolge bis zum 16. Lebensjahr niedrig geschätzt 130.000 €. Wer arbeiten geht und nicht ins Bürgergeld flüchtet, das auch die Kommunen zu stemmen haben, hat also viel zu schultern. Da ist diese Beitragserhöhung vielleicht nur ein kleines, aber aus Sicht vieler Stadträte ein falsches Signal. Die AfD machte den Vorschlag, diese Erhöhung abzulehnen. Kämmerer Gerald Schneider merkte an, dass dann das Geld woanders fehlt, bei Investitionen zum Beispiel. „Herr Schneider, dann lassen Sie sich was einfallen,“ forderte Stadtrat Rüdiger Stannek (DIE LINKE). Uwe Riemer (AfD) schlug vor, einen Brandbrief an Ministerpräsident Kretschmer zu schicken. „Dann legen Sie diesen bis zur nächsten Stadtratssitzung vor. Erst einmal sind das zwei verschiedene Vorgänge – der Beschluss und der Brandbrief,“ stellte Bürgermeisterin Michaela Ritter fest.
Dem Antrag der ULR auf Vertagung des Tagungsordnungspunktes „Beratung und Beschluss: Platzkosten und Elternbeiträge für die Betreuung von Kindern in Kindereinrichtungen und Kindertagespflegestellen in der Stadt Radeburg“ in die nächste Sitzung des Verwaltungsausschusses am 21.01.2025 zu vertagen, wurde bei drei Enthaltungen zugestimmt.

Brandbrief nicht von allen unterschrieben

Aktualisierung zur Druckausgabe

In der Druckausgabe stand:
Gleichzeitig wurde im Stadtrat vereinbart, einen „Brandbrief“ an den amtierenden Ministerpräsidenten zu schicken. Dieser Brief liegt RAZ als Entwurf vor, den Stadtrat Uwe Riemer (AfD) verfasst hat und der in der Stadtratssitzung am 12.12. (nach Redaktionsschluss) in dieser oder in überarbeiteter Form verabschiedet werden sollte.

Inzwischen hat die Stadtratssitzung stattgefunden. Stadtrat Jens Meister (CDU) hatte einen Gegenvorschlag formuliert, der nach der Sitzung über den Verteiler an die Stadträte geschickt wurde, Jnes Meisters Kritik an dem Brandbrief bestand in dem aus seiner Sicht unsachlichen Ton und Fehlern in der (unten stehenden) Berechung. In seiner Fassung verweist er aber auch auf ein Ungleichgewicht in den Elternebiträgen zwischen Stadt und Land, zum Nachteil des ländlichen Raumes.

Im von Uwe Riemer (AfD) verfassten Brandbrief werden die Zahlen für Radeburger Eltern konkretisiert. „Im Falle des Verzichts auf Erhöhung der Elternbeiträge hat die Stadtverwaltung einen zusätzlichen Aufwand von 112.513,20 € errechnet.“ Weiter heißt es: „Wir fordern hiermit die Staatsregierung dazu auf, diesen Betrag, dessen Entstehen in derer falschen Politik (fehlende Dynamisierung des Kita-Betriebskostenzuschusses, Kita-Moratorium) liegt, aus Landesmitteln zu finanzieren!“ 

Desweiteren wird darauf verwiesen, dass im Koalitionsvertrag von 2019 (siehe dort Seite 130) die sächsische Regierung sogar Beitragsentlastungen für Eltern versprochen hatte. Das nun verabschiedete Moratorium friert stattdessen die Zuschüsse aus Landesmitteln ein. Nach dem Motto: „Mögen sich Kommunen und Eltern darum streiten, wer die Mehrbelastung trägt". 

Der Brief wurde schließlich von den Abgeordneten der AfD und weiteren Abgeordneten (darunter CDU, LINKE, BI und ULR) unterschrieben und abgesendet, ohne im Januar noch einmal darüber zu diskutieren. Ein Zeichen, dass alle Stadträte dahinterstehn, war das dadurch leider nicht.