Das Firmenjubiläum ist eigentlich undenkbar ohne den damaligen Existenzgründer Bernhard Bertelsmeier, dessen Tod im vergangenen Oktober für alle völlig überraschend kam. Seine über 70 Jahre sah man ihm nicht an. Er war agil wie am ersten Tag, voller Tatendrang und immer noch mit Ideen unterwegs. Der aus Mecklenburg stammende Bernhard Bertelsmeier lernte den Beruf des Schlossers und arbeitete u.a. im Kombinat Fortschritt Landmaschinen Neustadt und lernte hier Sachsen kennen und lieben. Er mochte den Landstrich und die Leute, sah für sich in der DDR jedoch keine Perspektive. Schwimmend durch die Elbe verließ er das Land und lebte fortan in Ostwestfalen bei Paderborn.
Er bildete sich weiter und wurde Niederlassungsleiter bei der Franz Kleine GmbH in Salzkotten. Als in Berlin die Mauer fiel, erinnerte er sich an die besondere Situation in den großstrukturierten Landwirtschaftsbetrieben der DDR, die großen Ersatzteilsorgen und die teilweise extrem veraltete Technik. Deshalb verschickte er im Frühjahr 1990 Einladungen zur alljährlichen Frühjahrsshow der Landtechnik seines Betriebes an technische Stützpunkte sächsischer Landwirtschaftsbetriebe. Es sollte schon Sachsen sein, aufgrund seiner guten Erfahrungen mit den Menschen hier. Und die Sachsen kamen, unter anderen aus unserem Ebersbach. So kam der erste Kontakt mit den Ebersbachern zustande.
Bernhard Bertelsmeier erkannte, dass der Bedarf an Landmaschinen im Osten riesig sein musste. Die Großvorführung moderner Agrartechnik am 23. August 1990 in Ebersbach fiel in die Zeit, in der „alle” Westautos kaufen wollten. Manche waren skeptisch. Ob sich da jemand für Landmaschinen interessiert? Doch die Resonanz war großartig. Bernhard Bertelsmeier und die Ebersbacher - da trafen sich Menschen, die aus gleichem Holz geschnitzt schienen. Die Chemie stimmte einfach und so beschloss der Mecklenburger, in Sachsen zu bleiben. Der 23. August war das Datum dieses Entschlusses, das wir am 28. August nun auch als Firmenjubiläum gefeiert haben.
Der Verkauf des Geländes der in Liquidation befindlichen LPG stand an und es gab mehrere Bewerber. Bernhard Bertelsmeier hatte da nur den heute noch vorhandenen Altbau am Zweitannenweg mit der Reparaturwerkstatt gemietet, bewarb sich aber nun um das gesamte Gelände, um weiter wachsen zu können. Der für DDR-Verhältnisse gute Zustand, in dem sich das Gelände befand, ließen seinen Entschluss reifen, das ganze Gelände zu erwerben. Eine strategische Entscheidung, die, wie man heute sieht, richtig war und in seine Unternehmensphilosophie passte: „Aus eigener Kraft wachsen und erzielte Erträge wieder im Unternehmen investieren.“
Vom Ein-Mann-Betrieb zu 120 Mitarbeitern
Die erste eigene Niederlassung entstand 1994 als Tochterunternehmen in Großweitzschen bei Döbeln. Dort erwarb Bernhard Bertelsmeier ein Grundstück und baute die Gebäude um. Nach einer Phase der Konsolidierung ging die Agrartechnik 1998 mit dem Kauf des Grundstück und dem Neubau Filiale Schwarzadler (bei Bautzen) weiter auf Expansionskurs. 1999 folgte die Inbetriebnahme der Werkstatt Dobra bei Pirna, im Jahr 2000 der Neubau der Lagerhalle in Großweitzschen und der große Um- und Ausbau am Hauptstandort hier in Ebersbach mit dem Umbau des Hauptgebäude, den Neubauten der Lagerhalle und Werkstatt und der Erweiterung des Ersatzteillagers.
Danach folgte erneut eine Konsolidierungsphase mit sukzessiven Erweiterungen an den Standorten Ebersbach, Großweitzschen und Schwarzadler. Im März 2013 wurde mit dem Kauf eines Grundstück in Klein Gaglow bei Cottbus auf ca. 8.000 qm eine neue Filiale geschaffen und der nächste Wachstumsschritt gegangen. Aber auch in Ebersbach ging es weiter. 2013/14 folgte hier der Neubau einer Maschinenkalthalle mit einer Grundfläche von ca. 4.300 qm. Im Januar 2014 wurde das GEA Fachzentrum Sachsen mit Sitz in Großvoigtsberg übernommen. GEA ist einer der weltweit größten Systemanbieter für Nahrungsmittelproduktion. Somit decken die Ebersbacher Agrartechniker nun das gesamte Sortiment landwirtschaftlicher Technologien ab. Thomas de Maizière lobte in seinem Grußwort zum Firmenjubiläum: „Der Landmaschinenhändler ist klug und kontinuierlich gewachsen, mit üppigen aber nicht überdimensionierten Investitionssummen. Heute ist daraus nicht nur ein erfolgreiches Unternehmen mit 120 Mitarbeitern geworden, sondern eine Familie mit starker Verankerung in der Region.“
„Wir bestimmen nicht über Leben und Tod – das mussten wir schmerzhaft erkennen. Bernhard Bertelsmeier wollte noch viel bewegen. Sein plötzlicher Tod setzte seinem nimmermüden Wirken ein plötzliches Ende,” sagt Margot Fehrmann in ihren Grußworten zum Jubiläum, die Sie in der Druckausgabe 10/2015 des Radeburger Anzeigers (Amtsblatt Eberbach) finden. Sie spricht damit vielen aus dem Herzen – der Familie, Mitarbeitern, Ebersbachern. Das Glück im Unglück ist, dass seine Söhne Marcus und Ralph bereits in der Geschäftsleitung des Unternehmens mitarbeiteten, die Übergabe des Betriebes zu diesem Jubiläum erfolgen sollte und schon gut vorbereitet war. Marcus Bertelsmeier ist Doktor der Agrarökonomie. Er studierte Agrarwissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin und ist seit 2004 mit in der Firma und ist nun gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Geschäftsführer. Ralph Bertelsmeier beendete 2003 eine Lehre als Bankkaufmann und absolvierte danach im Unternehmen ein duales Studium, das er als Diplomkaufmann abschloss. Ab 2007 war er als leitender Angestellter in einem großen Handelsunternehmen tätig und kehrte 2012 zur Agrartechnik zurück, wo er seitdem für Finanzen und Controlling zuständig ist. Mit dem neuen Slogan „Auf allen Feldern zu Hause“ meinen Marcus und Ralph Bertelsmeier nicht nur die Ackerflächen, sondern auch alle Geschäftsfelder landwirtschaftlicher Produktion, denn aus dem einstigen Landmaschinenhändler ist längst ein „Allrounder” geworden, der auch für Hof und Stall Ausrüstungen und Lösungen anbietet. Auch Melkanlagen beispielsweise.
Beim Firmenjubiläum am 28. August weihten Marcus und Ralph Bertelsmeier die „Zukunftsschmiede” der Agrartechnik ein. Die neueste Investition galt einem Technologie- und Schulungszentrum auf 1.000 Quadratmetern mit integriertem Bürogebäude. Die Halle ist multifunktional und in drei Segmente teilbar. Sie kann als Ganzes oder in Teilen für Präsentationen, für die Übergabe von Neumaschinen, als Schulungszentrum oder als Technologiewerkstatt genutzt werden. Ralph Bertelsmeier sagt zu der Investition: „Der Bereich der Aus- und Weiterbildung wird in Zukunft einen noch größeren Stellenwert einnehmen.”
Bürgermeisterin Margot Fehrmann: "Dass die Söhne ganz im Sinne ihres Vaters handeln, war daran zu erkennen, dass sie zum Jubiläum wegen der zu erwartenden Geschenke der Partner eine besondere Idee hatten. Sie baten ihre Gäste auf Geschenke zu verzichten und gemeinsam für einen guten Zweck zu spenden. Einen guten Zweck hatten wir schnell gefunden. Die Grundschule Kalkreuth war der erste Schulneubau in Sachsen nach dem 2. Weltkrieg. Der damalige Schulleiter Konrad Zeller wollte, dass Kinder auf dem Lande mit landwirtschaftlicher Produktion vertraut gemacht werden. So wurde ein Schulgarten mit Gartenhaus und Gewächshaus errichtet. Die Gebäude sind inzwischen veraltet. Deshalb kamen wir auf die Idee, dass für das Gewächshaus gespendet werden sollte. Dr. Marcus Bertelsmeier sagte bei der Übergabe der Spende: „Auch wir fanden die Idee gut, hat das doch direkt etwas mit der Nahrungsmittelproduktion zu tun.” Das passt wirklich. Denn vor 65 Jahren wurde die Jochelbeere durch Kreuzung aus Johannisbeere und Stachelbeere neu gezüchtet. Die Beere mit sehr hohem Vitamin-C-Gehalt verbreitete sich von hier in der ganzen DDR. Gespendet wurde sehr großzügig, von den Lieferanten, Zulieferern, Kunden, Geschäftspartnern u.v.a. So dass eine Summe von 9870,00€ zusammen kamen, die die Brüder Marcus und Ralph Bertelsmeier auf 10.000 Euro aufrundeten. Die Schüler und Schulleiter Friedrich Brunnert waren ebenso begeistert wie ich." |
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