Der aktuelle Jurysieger heißt Markus Grolik aus München. Er überzeugte mit seinem Motiv namens "Aufladen". Zwei Radler mit Elektro-Bike stehen entgeistert vor einer Aufladestation mit Grünem Strom - der per Hometrainer erzeugt werden muss. Das Bild überzeugte die Jury mehrheitlich. Das Preisgeld beträgt 1.000 Euro, gestiftet vom Hauptsponsor der Schau, dem Unternehmen IVAS Ingenieurbüro für Verkehrsanlagen und -systeme aus Dresden.
Laudatio - gehalten von Mario Süßenguth
Markus Grolik unternimmt gerne mal eine Fahrt ins Blaue. Lange Strecken mit seinem alten Dacia, und seit es in den Städten immer mehr Autos und immer mehr Verkehrsraum-Müll gibt, Elektro-Trittroller zum Beispiel, fährt er die kürzeren Touren auch sehr gerne mit seinem soliden Fahrrad der Marke „Panther“, diese übrigens 1896 in Ostdeutschland begründet, mit Nabenschaltung und mit Rücktritt. Dieses Rad hat er sogar nach Radeburg mitgebracht.
Markus Grolik liebt das Althergebrachte, wenn es sich erst einmal als gut erwiesen hat. So wie sein Fahrrad. Er mag auch sich selbst, denn seit seiner Geburt 1965 in München ist aus ihm inzwischen etwas althergebracht Gutes geworden. Vater von zwei erwachsenen Kindern ist er, von der Kunst beseelt sowieso.
Es mag eine Unterstellung sein, aber ein Zitat Heinrich Zilles passt vielleicht auf Markus Grolik. Es lautet: „Kinder, lernt nicht, sonst müsst ihr später arbeiten!“
Markus Grolik arbeitet nicht, weil er längst seine innere Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Nur wer lernt, muss später arbeiten, sagt Zille, und da ist was dra. Denn man lernt auch viel Unsinn in der Schule. Markus Grolik sagt: Sein Abitur habe etwas zu lange gedauert. Deshalb schlug er, auch um raffiniert der altbundesrepublikanischen Armee, der Bundeswehr, zu entgehen, zügig den künstlerischen Weg ein: Modegrafiker, Kinoplakatmaler, Kunststudium.
Mit 30 schließlich: ein Leben als Freiberufler. Motto: Wer als Festangestellter arbeitet, hat keine Zeit, Geld zu verdienen!
Der Münchner zeichnet Cartoons und Comics, illustriert Werke anderer, er schreibt auch, nicht nur Sprechblasen voll, sondern richtige Kinderbücher, erfolgreiche im Übrigen, die bei großen Verlagen wie Rowohlt oder dtv erscheinen.
Seine Cartoons und Karikaturen sind Markus Groliks Spielwiese, um dem mitunter erdrückenden Alltag aus News und Fakenews schnell und unkompliziert die Luft rauszulassen, mit einem Witz! „Fahrt ins Blaue!“, heißt bekanntlich das Motto des Heinrich-Zille-Karikaturenpreises 2022. Und die Jury hat sich aus über 200 Einsendungen von 50 Künstlerinnen und Künstlern für das Werk von Markus Grolik entschieden: „Aufladen“.
Wir sehen darauf: Zwei frustrierte Elektro-Fahrradfahrer, E-Biker, wie es in Sachsen heißt. Mann und Frau stehen mit leerem Akku vor einem Green-Akku-Load-Häuschen mit Hometrainer darin. Sagt der Mann schnaufend zur seiner angetrauten Sportskanone: „Schon wieder eine Ladestation zum Selberradeln!“ Ich sehe Markus Grolik vor mir, wie er schmunzelnd den Kopf schüttelt, wenn er ehrlich, aus eigener Kraft, mit seinem
Nabenschaltungs-Fahrrad der Marke „Panther“ den Berg hoch tritt, während ihn vollschlanke Schummler, wie diese hier auf dem Bild, noch fröhlich pfeifend überholen – bis die Batterien schlapp machen. Dann pfeift Markus Grolik sein Liedchen und zeichnet Cartoons wie diesen.
Schauen wir noch genauer hin: D. I. Y. steht unten auf dem Sockel des Hometrainers, mit dem Strom erstrampelt werden kann. D. I. Y. steht nicht für „Das ist Yoga“, sondern für Do it yourself – Mach es selber! Und das war eigentlich auch mal der geniale Grundgedanke des Fahrradfahrens: frei von Öl, Kohle, Benzin, Diesel oder eben Strom einfach selberradelnd ordentlich Strecke machen. Der Antriebsmotor waren wir selbst, betankt mit Leitungswasser, Limo oder Hefeweizen – Weißbier, sagt der Münchner. Aber ein Fahrrad mit Batterie-Motor, das scheint für Markus Grolik die Verfälschung eines althergebrachten und guten Konzeptes zu sein. Eine Verfälschung wie fleischfreies Fleisch aus Tofu oder wie mehlloses Brot aus Eiweiß oder wie alkoholfreier Wein aus Traubensaft.
Und auch die abstruse Idee des „Grünen Stroms“ zeigt Groliks Cartoon herrlich entlarvend. Denn Strom ist bekanntlich nicht grün, sondern unsichtbar. Und die ja tatsächlich in der Wirklichkeit praktizierte Variante, dass in Fitnessstudios am Crosstrainer oder am Laufband Energie erzeugt wird, erscheint völlig gaga: Warum auf ein Gerät steigen, ins Schwitzen geraten – und keinen Meter von der Stelle kommen?
Markus Grolik will unsere verdrehte Welt wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Daran hat sich zwar schon so mancher verhoben, aber irgendwann, so hofft der Künstler, werden das Althergebrachte und das Gute wieder die Oberhand gewinnen. Ich erinnere an Markus Groliks eigenes Fahrrad, mit Funktionen, von denen nicht nur Politiker träumen: Es hat Freilauf – und eine funktionierende Rücktrittbremse!
Lieber Markus Grolik, ganz herzlichen Glückwunsch zum Heinrich-Zille-Karikaturenpreis 2022 für die Karikatur „Aufladen“!