100 Jahre Meisterbetrieb Herrmann: 4 Generationen, 4 Berufe und 1 Überraschung

Am 6. und 7. September feierte die Firma ihr 100jähriges Jubiläum - eine Firma, die sich mit ihrem Handwerk nicht nur, aber auch in unserer Stadt Denkmale gesetzt hat. Eine Firma, an der man auch den Wandel eines Berufsbildes ablesen konnte. Was unterscheidet eigentlich den Klempner vom Installateur? Hier etwas Firmen- und Berufsgeschichte:

Curt Herrmanns Frau Rosa und Tochter Gerda vor der Marktstraße 5

„Dass Ihre Firma 100 Jahre alt ist, das müssen Sie dann aber auch beweisen, bei uns ist Ihr Unternehmen erst seit 60 Jahren eingetragen,“ meinte die Handwerkskammer in Dresden. Bei der Handwerkskammer war also nicht Curt Herrmann, sondern erst sein Sohn Siegfried Herrmann geführt. Schon „seit ewigen Zeiten“ galt für die Familie als Beleg für die Existenz der Firma der Meisterbrief von Uwe Berges Großvater Curt Herrmann aus dem Jahr 1924. „Seit 1924“ wird seit Jahrzehnten auch als Beweis für Beständigkeit, Erfahrung und Tradition im Firmenlogo mitgeführt. Aber mehr dazu später.
Das Klempnerhandwerk war zunächst einmal die Kunst, aus Blech Bauteile zu machen, die bestimmte Funktionen zu erfüllen hatten, deren Bedeutung einem bewusst wird, wenn man sie mal kurz wegdenkt: Dachrinnen, Wasserleitungen, Abwasserleitungen… Integriert ist hier direkt die „Dichtkunst“. Wer sie nicht beherrscht, flucht über den tropfenden Wasserhahn oder undichte Geruchsverschlüsse. Für den Klempner ist das aber noch lange keine Kunst.

Opa Curt war zum Beispiel stolz auf den Entwurf eines Marktbrunnens mit Beleuchtung, was ca. 60 Jahre später, im Rahmen der Marktneugestaltung 2020 Realität wurde. Sein Modell mit dieser visionären Idee fertigte er komplett aus Blech. Anlass war der Schaufensterwettbewerb zur Faschingszeit, bei dem die besten „Faschings-Schaufensterdekorationen“ in den 60er Jahren ausgezeichnet wurden. 

Noch heute zu sehen ist von ihm die Installation des Turmes am „Hirsch“. Eine weitere Arbeit von ihm ist das als eine der ersten Leuchtreklamen in Deutschland geltende Stadtwappen in der Kirchgasse, das mit Stadtgas betrieben wurde und zuletzt bei der 700-Jahrfeier Radeburgs noch einmal in Betrieb genommen wurde. Nach der Umstellung von Stadt- auf Erdgas funktionierte es nicht mehr. 
Sohn Siegfried Herrmann und Enkel Uwe Berge versuchten sich an einem Umbau – letztlich war das aus sicherheitstechnischen Gründen nicht zu lösen und der einzige Ausweg war später die von René Eilke ins Spiel gebrachte Umstellung auf eine LED-Beleuchtung.

Curts Sohn Siegfried Herrmann trat in die Fußstapfen seines Vaters hatte 1955, im Alter von 21 Jahren, seinen Meisterbrief erhalten und übernahm 1965 die väterliche Firma. 

Auch er hat sich im Stadtbild verewigt und sogar einen „Denkmalwert“ geschaffen. Zu DDR-Zeiten waren Materialengpässe an der Tagesordnung. Die Installateure bekamen Material zugeteilt – teilweise objektgenau, aber auch die Betriebe hatten manchmal Material, das sie zur Verfügung stellen konnten. Auch Pfarrer Martin Koch hatte Bleche, die er wie einen Schatz hütete. Er hatte sie von einer Gemeinde „aus dem Westen“ bekommen. Um die Fassade der Kirche irgendwie „materialsparend“ vor Regenwasser zu schützen, musste das Wasser mit geringstmöglichem Aufwand vom Dach weggeleitet werden. Aus abgezählten Blechteilen von Pfarrer Koch fertigte Siegfried Herrmann 1983 Rinnen, Fallrohre und einen „provisorischen Wasserspeier“ nach einer Handskizze des Pfarrers. Bei der Sanierung des Kirchdaches im Jahr 2010 ist der Speier dann „denkmalgerecht“, das heißt: wie von Siegfried Herrmann als Notlösung geschaffen, nachgebaut worden. 
An der Seite von Siegfried Herrmann war seine Frau Renate, die bis zur Wende im Kombinat Industrielle Mast arbeitete, im Meisterbetrieb „ehrenamtlich“ tätig und erledigte die Buchhaltung. Nach der Wende war sie dann hier „vollbeschäftigt“ – denn in der Marktwirtschaft wurden auch die Anforderungen an den „Innendienst“ umfassender. Es galt Angebote zu schreiben und Aufträge zu organisieren und als Ansprechpartner erreichbar zu sein. Sie übernahm Telefon und Computerarbeit und war bis 1999, als Siegfried sich aus dem Geschäft zurückzog, an seiner Seite und hielt in den Jahren danach auch noch ihrem Sohn Uwe den Rücken frei. 2004 übernahm Uwes Frau Yvonne das Büro.

Uwe Berge begann 1982 seine Lehrausbildung im Betrieb und nach der Wehrpflicht in der Nationalen Volksarmee, den Streitkräften der DDR, schloss er die Meisterausbildung an, die er 1989 mit der Meisterprüfung als Klempner und Installateur abschloss.

Eigentlich sind es zwei Berufe, die im allgemeinen Sprachgebrauch gern vermengt werden. „Was der Klempner macht, sieht man auch von außen, was der Installateur macht ist im Inneren der Gebäude,“ ist Uwe Berges einfache Erklärung.

Als Klempner haben Vater und Großvater sich zum Beispiel an den Türmchen der damaligen Poliklinik, der „Mitscherling-Villa“ oder mit dem Erkerturm am Hirsch eigene Denkmale gesetzt. „Wenn ich im Urlaub oder beruflich in irgendwelchen Städten bin, gehe ich fast immer mit dem Kopf nach oben und schaue mir an, was da so die Klempner für Kunstwerke geschaffen haben. Ja, das ist schon eine Kunst,“ sagt Uwe Berge. Zu den Orten, wo er „auf Montage“ war, zählen Berlin, Rostock, München und London.

Ein Installateur ist, wie der Name sagt, jemand, der etwas „installiert“ – also technische Geräte funktionsgerecht einbaut. Zunächst war der Installateurberuf, was von der Comicfigur „Werner“ mit „Gas, Wasser, Scheiße“ zusammengefasst wurde. 

In der Wendezeit wurden zunehmend Kohleöfen durch Gasheizungen ersetzt und dadurch lag es auf der Hand, dass aus dem Gasinstallateur auch ein Heizungsbauer wurde. Große, auf Heizungen spezialisierte Unternehmen machten Druck, die „kleinen“ Konkurrenten wegzubekommen und setzten durch, dass alle Installateure, die Heizungen einbauen wollten, noch einmal eine Meisterprüfung ablegen mussten. Uwe Berge ist stolz darauf, die Prüfung als Heizungs- und Lüftungsbauer-Meister bestanden zu haben. „Die Durchfallquote war aber hoch und das war wohl auch beabsichtigt,“ sagt er dazu.
Nun hatte er also Meisterabschlüsse auf insgesamt vier Fachgebieten. „Und zu allerletzt bin ich nun auch noch ‚Marktpflastermeister‘,“ lacht der 58jährige, der „nebenbei“ auch noch von der Wende bis vor einem Jahr Elferrat im Karnevalsclub war – wie zuvor auch Siegfried. Und weil das noch nicht reicht, ist er seit der 4. Legislaturperiode auch noch Radeburger Stadtrat. 

Dass er „Marktpflastermeister“ genannt wird, hängt mit eben diesen Funktionen zusammen. Aufgrund seines Berufes war er der „Chefinstallateur“ des Karnevalsclubs und als es vor 20 Jahren erstmals die karnevalistische „Marktüberdachung“ gab, hatte er hier „Hausaufgaben“. Beim grundhaften Marktumbau nahm er im Technischen Ausschuss darauf Einfluss, dass der Markt beste technische Voraussetzungen für Veranstaltungen bekommt. Als Stadtrat, als Elferrat und nach schlechten Erfahrungen mit den Pflasterarbeiten auf der Klostergasse, direkt an seinem Grundstück, hatte er genügend Gründe, ein besonderes Auge auf die Bauarbeiten am Markt zu werfen. Er war der erste Stadtrat, der auf Qualitätsmängel aufmerksam machte, die letztlich zu einer umfassenden Reklamation gegenüber dem Baubetrieb führten, so dass der Markt nun, was den grundhaften Ausbau betrifft, in einem befriedigenden, wenn auch noch nicht endgültigen Zustand ist.

Auch die vierte Generation ist bereits am Start. Sohn Patrick Berge, geboren 1991, hat 2017 neben der Arbeit im Betrieb seinen Meisterabschluss im Installateur- und Heizungsbauhandwerk gemacht und als Mitglied der Narrenpolizei ist er auch im Radeburger Carnevalsclub aktiv. In die „Hausaufgaben“ bei der „Marktüberdachung“ wurde er von seinem Vater bereits eingewiesen. 

Patricks Schwester Melanie, geboren 1996, arbeitet „fachverwandt“ in der Sanitärbranche beim Keramikhersteller Duravit in Meißen und hält mit Ihrem Wissen die Firma immer auf einem innovativen Level.

Ihre Schwester Kethy, geboren 2008, übrigens auch im Karnevalsverein, in der Garde, hat schon die Fingerfertigkeiten eines Vollblut-Installateurs. Seit der 7. Klasse verdient sie sich beim Herstellen von Isolierungen ein Taschengeld dazu. Patricks Tochter Lara ist erst wenige Wochen alt – da ist einer 
5. Generation das Handwerk ja schon in die Wiege gelegt. Lassen wir uns überraschen…

Apropos „überraschen“. Im Stadtarchiv hatten Mitarbeiter der Stadtverwaltung alles darangesetzt, endlich den Nachweis für die Firmengründung zu finden. Da sich unter den Gewerbeanmeldungen 1924 und später kein entsprechender Eintrag fand, machten sie einen letzten Versuch und schauten in das Jahr 1923. Und siehe da… der damals noch in der Meisterausbildung befindliche Geselle Curt Herrmann hatte bereits zum 1.2.1923 sein Gewerbe im frisch erworbenen Haus Marktstraße 5 als Klempnergeschäft eröffnet. Für die Handwerkskammer hatte man das Jubiläum also verpasst, aber den Grund zum Feiern ließ man sich am vergangenen Wochenende trotzdem nicht nehmen.

„Na dann habt ihr ja nicht mehr ganz so lange bis zum 110.,“ scherzten Freunde.

Und was ist mit dem Firmenlogo? „Wir werden nach und nach die Zahl in unserem Logo ändern. Das geht sicher nicht von heute auf morgen,“ sagt Uwe Berge. „und so wichtig ist das ja nun auch nicht.“

Bleibt nachzutragen: 
Bei der Jubiläumsfeier am vergangenen Wochenende bat das Familienunternehmen statt Geschenken um Spenden, die für den Radeburger Feuerwehrnachwuchs und zur Ausstattung der Gardemädels des RCC bestimmt sind.